Volltext: Liechtensteiner Volksblatt (2005)

¥ MITTWOCH, 7. SEPTEMBER 2005 
VOLKS BLATT 
INLAND «Inhaltlich geht diese Initiative zu weit» Altregierungschef Walter Kieber stellt sicli Fragen zu Initiative und Gegenvorschlag SCHAAN - Was bedeutet dl» InltH atlvt «Für das Laban» und dar Begenvarschiag dar FBP- und VU- Landtagsfrattion? Altraglanings- chaf Walter Klabar, alnar dar pro- fundastan Kannar dar liechtfenstei- Stellungnahme zur Verfügung ge­ standen, die einiges Licht In das bisherige Duakel rund um dla Inltt- athra bringt. » Marttn   fw— H Volksblatt: Walter Kleber, wie be­ urteilen Sie die Initiative «Für das Leben» aus verfassungsrechtlicher Sicht? i 
Walter Kieber: Die Initiative ist si­ cherlich gut gemeint, inhaltlich geht die Initiative aber zu weit. Sie ist für den Schutz des Lebens «von der 
Emp- Sicherlich gut gämeint, aber... fängnis bis zum natürlichen Tod». Nach dem Wortlaut der Initiative wäre damit nicht einmal die medizinische Indikation mehr möglich. Gemäss heutigem Recht kann ein Schwanger- schaitsabbruch vorgenommnen wer­ den. wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Dies wäre dann aber in Zu­ kunft nicht mehr möglich. Der Wortlaut «bis zum natürlichen Tod» würde bedeuten, dass Patienten­ verfügungen $icht mehr möglich wä­ ren. Ein Patient könnte nicht einmal mehr bei einem Krebsleiden und schweren Schmerzen verlangen, dass Morphium in hohen Dosen gespritzt wird, denn in hohen Dosen 
verab- Nicht mehr möglich reichtes Morphium kann den Tod her­ beiführen und das ist kein «natürlicher Tod». Der Patient dürfte keine solche Morphium-Dosen bekommen und un­ ter unerträglichen Schmerzen warten, bis der natürliche Tod ihn von diesem Leiden erlöst. Wie beurteilen Sie den Gegenvor­schlag 
der FBP-*tand VTJ-Fraktion? Er Uberlässt inhaltlich die Regelun­ gen der einzelnen Probleme wie Schwangerschaftskonflikt und Sterbe­ hilfe 
dem Gesetzgeber beziehungs­ weise dem Volk, das ja auch Gesetz­ geber ist. | Die Möglichkeiten eines Schwan­ gerschaftsabbruchs können in dieser oder jener Art und Weise vom Gesetz­ geber geregelt werden. Neben der me­ dizinischen Indikation, die ich er­ wähnt habe, gibt es ja auch eine euge­ nische Indikation und eine ethische Indikation. Nach der eugenischen 
In- Eugenische Indikation und ethische Indikation dikation wäre ein Schwangerschafts- abbruch -ausnahmsweise straflos, wenn aufgrund von vorgeburtlichen Untersuchungen zu erwarten ist, dass das Kind an schweren Erbschäden lei­ det. Es liegt dann in der Hand der Mutter, darüber zu entscheiden, ob sie das Kind austraget will oder nicht. Wenn sie sich entscheidet, nicht aus­ zutragen, dann macht sie sich heute strafbar. Nach der ethischen Indikation ist ein Schwangerschaftsabbruch aus­ nahmsweise straflos, wenn die Schwangerschaft aus einem Verbre­ chen herrührt. Nach der heutigen Rechtslage ist ein 
Schwangerschafts- Keinerlei Spielraum für irgendwelche Lösungen abbruch zulässig, wenn eine Jugendli­ che unter 14 Jahren geschwängert worden ist. Dies wäre bei Annahme der Initiative «Für das Leben» nicht mehr zulässig. Eine Schwangerschaft, die auf Vergewaltigung zurückzufüh­ ren ist, darf nach der heutigen Rechts­ lage und selbstverständlich auch nach der Initiative «Für das Leben» nicht abgebrochen werden. Wird die Initiative «Für das Leben» vom Volk angenommen, dann hat der Gesetzgeber keinerlei Spielraum für irgendwelche Lösungen mehr, auch nicht hinsichtlich der Zulässigkeit von Patientenverfügungen. 
Wenn anderer­ seits der Gegenvorschlag vom Volk 
Liechtenstein zum ersten Mal in der Verfassung ausdrücklich niederge­ schrieben. Er gilt aber aufgrund der internationalen Konventionen i|fid Pakte, die Liechtenstein uQtersduie- ben hat, zum Beispieftdie Menschen­ rechtskonvention de^s Europ'arates. schon seit Jahrzehnten. Er ist einfach noch nicht explizit jn der Verfassung festgeschrieben. Das Komitee der Initiative «Für das Leben» vertritt auch nach Präsen­ tation des Gegenvorschlags die Auf­ fassung, dass der Schutz des Lebens im ProgrammteU der Verfassung als oberste Staatsaufgabe festzuschrei­ ben m^eil «demzufolge zu deren EtfOipl Landtag und Regierung unmissverstflnalich verpflichtet sind»: Dellen Sie diese Ansicht? Nein. Der Staat ist selbstverständ­ lich nicht nur verpflichtet, die ihm ob­ liegenden Staatsaufgaben zu erfüllen, 'Vonderri er ist auch verpflichtet, Rege­ lungen zu treffen, die nicht gegen die Grundrechte gerichtet sind. Der Wort- die Zustimmung erhält, dann hat der Gesetzgeber noch alle Möglichkeiten offen, für die verschiedensten Fragen Lösungen zu finden. Für Aussenstehende ist schwierig nachzuvollziehen, ob denn der Schutz des .Lebens und die Men­ schenwürde wie von den Inltianten gefordert in das IIL oder wie vom Landtag vorgesehen in das IV. Hauptstück der Verfassung gehö­ ren: Was sind die Unterschiede? Im III. Hauptstück werden nach der geltenden Verfassung die Staatsaufga­ ben geregelt, und zwar die 
Staatsauf- Programmkatalog gäbe aus der Sicht des Jahres 1921. Der Verfassungsgesetzgeber von 1921 konnte ja die Staatsaufgaben des Jah­ res 2005 logischerweise nicht definie­ ren. Es handelt sich deshalb eigentlich um einen Programmkatalog aus der 
mit i Walter Klabar. Sicht des Verfassungsgesetzgebers. Im IV. Hauptstück sind die Grund­ rechte der „Bürger geregelt, wie bei­ spielsweise Gleichheit vor dem Ge­ setz, Meinungsfreiheit oder Glaubens-., und Gewissensfreiheit. Wenn sich ein Bürger in diesen Grundrechten ver­ letzt fühlt, dann kroien diese somit beim Staatsgerichtshof mit 
Beschwer- Eine Schranke für * den Gesetzgeber de durchgesetzt werden. Der Gegen­ vorschlag des Landtages verankert den Schutz der Würde des Menschen und den Schutz des menschlichen Le­ bens in diesem Grundrechtskatalog und würde in Zukunft wie die anderen Grundrechte für den Gesetzgeber eine Schranke bedeuten. Dies wäre eine Ergänzung des Grundrechtskatalogs. Der Schutz des menschlichen Le­ bens wird sowohl mit der Initiative wie mit dem Gegenvorschlag für 
Oer Landtag erfindet / nichts Neues laut der Initiative «Für das Leben» i: nicht regelungsoffen, denn er gibt dem Gesetzgeber, wie bereits erwähnt, kei­ nen Spielraum. Im Kerngehalt darf das menschliche Leben und die menschliche Würde so oder so nie verletzt werden. Der Gegenvorschlag entspricht dem inter­ nationalen Standard, das heisst, d^r Landtag erfindet nichts Neues. Was dagegen die Initiative betrifft, so ken­ ne ich keine Verfassung, in der eine solche Staatsaufgabe mit diesem ein­ schränkenden Wortlaut enthalten ist. Wie stellen Sie persönlich zur Fri­ stenlösung? Ich bin ein Gegner der Fristenlö­ sung. Ich war dies schon in den 80er- Jahren, als ich als ehemaliger 
Justiz- Gegen Frlstenlösung minister Vorsitzender der Strafoechts- reformkommission der Regierung war. AN/hKil-
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.