27
bannen. Hilda machte eine abwehrende Bewe
gung und erwiderte: „Wolf lass’ das heute am
hellen Frühlingsmorgen! Gewiss, so wie du ver
steht Niemand Geistergeschichten zu erzählen,
aber ich höre dieselben lieber dort auf der Stein
bank am Abend, wenn die Strahlen des Mondes
gespensterhaft durch die Lücken der Zinnen
huschen. Wolf hart halte mir treue Wache, an
doppeltem Solde, dazu ein neues Lederwamms,
an dem soll es dir bei der Rückkehr meines
Vaters nicht fehlen. Ich muss hinunter in die
Burg.“ Noch einmal nickte ihm Hilda freund
lich zu, dann eilte sie die Treppe hinab. —
Den hohen Turm zierte ein Rundgang. Dröh
nenden Schrittes umwanderte ihn Wolf hart, sein
scharfes Auge spähte hinab ins Thal, ob nichts
Feindliches in Angriff zu nehmen sei. Beruhigt
setzte er sich an die Sonnenstrahlen und hielt
laut folgendes Selbstgespräch:
„Hilda ist ein gutes Fräulein . . . ganz anders,
als sonst die adeligen Weibsbilder zu sein pflegen.
Ich der alte Wolf hart, seit 30 Jahren unbeschol
tener Wächter des Thores . . . ., weiss doch was
sich schiekt. Letzten Montag sandte mich Graf
Ulrich auf die Veste Werdenberg, wo gerade
ein Dutzend adeliger Weiber in den Schlosshof
ritten. Brr... hatten die Schleppen an den Röcken,
gewiss 4 Ellen lang. Stehe da stramm hin und
gaffe in die faden Milchsuppengesichter und flugs