274
Zum Thore herein sprengte Herr Walter.
Ein gewaltiges Hurrageschrei stimmte das Volk
an. Walter hob Hilda vom Pferde und führte
sie unter die Linde, wo ein Page den beiden
den rechten Schuh löste. Hilda trat mit dem
entkleideten Fusse in Walters Schuh. In männ
lich stolzer Haltung stand der junge Ritter da,
er ergriff Hildas Hand und rief mit freudig er
regter Stimme: „Vasallen und Leibeigene! Schauet
da mein Weib!“
So heischte es eine uralte Sitte, die Ver
mählung kund zu thun. Aller Augen hingen an
dem jugendlich schönen Paare, endloser Jubel
durchbrauste den Hof. Das Echo der nahen
Bererschluchten wiederholte: „Willkommen, Frau
Hilda!“
Sie senkte in mädchenhafter Verwirrung er
rötend den Blick.
Selbstbewusst schritt durch die Menge die
Herrin von Schalun, Walters Mutter. Ehrerbietig
wurde ihr Platz gemacht, sie nickte herablassend
dem grüssenden Volke zu. Auf ihrem Gesichte
lag herbe Entschlossenheit, die jeder Freundlich
keit den Zugang verschloss. Höflich aber kalt
empfing sie die junge Frau.
Hilda küsste ihr stumm die Hand, eine Thräne
fiel darauf.
Da erwachte im Herzen der stolzen Frau ein
Gefühl wie Mitleid für das verwaiste Edelkind.