201
viel Jüngeren in aufrichtiger, wahrer Freund
schaft zu dir emporgezogen hast.
Und ich verachte den Mann, der ein wehr
los’ Weib tief kränkt. Ach Vater, könnte ich
dir doch Hilfe und Stütze sein!“
„Recht so mein Kind“, rief der Gutenberger,
„nur Kopf in die Höhe. Echt weiblicher Stolz
ist ein Kleinod, das Niemand anzutasten wagt.“
Ihn rührte ihre gerechte Entrüstung, allein
der starke Mann suchte seine Bewegung unter
dem Deckmantel harmloser Heiterkeit zu ver
bergen.
„Hilda“, sprach er, „noch bin ich Herr meiner
Burg, dazu besitze ich dich mein Kind und zwei
gesunde, starke Arme. Geh’ jetzt“, fuhr er
fort, indem er ihre Stirne küsste, denn ich muss
noch Botschaft hinunter senden nach Trisun.
Verlässt auch der alte Freund mich, dann bin
ich ein dürrer Ast an einem morsch gewordenen
Stamm. Leicht knüpft und löst die Jugend
Freundschaftsbande, doch das Alter verliert
schwer einen treuen Freund. Die Zeit vernarbt
kaum derlei Wunden.“
Unterdessen ritt Herr Walter von Schalun den
Waldweg zur Veste Gutenberg hinauf. Gegen
die Luziensteig hin, leuchtete ein Stück Himmel,
lichtblau, heiter, darüber bauschten sich Wolken
purpurumsäumt, die waren so phantastisch ge
staltet und flogen wirbelnd im blauen Äther