IV. Abschnitt.
Die sächsischen Könige und Kaiser.
911—1024.
1. Burkard II. Herzog von Schwaben und Ratien.
In Deutschland, zu welchem Rätien fortan gehörte, war
der Stamm Karls des Großen erloschen und niemand hatte
ein Anrecht auf das Königtum. Daher mußte eine freie Wahl
entscheiden, woran die Großen und Freien aus allen deutschen
Stämmen teilnahmen. Sie fiel auf Konrad, den Herzog von
Franken (im nördlichen Baiern). Er war der erste deutsche
Wahlkönig und Deutschland seitdem ein Wahlreich. En sollte
das Recht schirmen und die Schwachen vor Beraubung und
Gewalt sichern. Aber die deutschen Großen liebten Ungebun-
denheit und Gewalttätigkeit mehr als Ordnung und Recht.
Darum hatte Konrad I. während seiner ganzen Regierung
vollauf zu tun, die widerspenstigen Großen zum Gehorsam
und zur Anerkennung seiner königlichen Gewalt zu bringen.
AIs Konrad I. auf der Pfalz zu Bodman Hof hielt (912),
erschien Bischof Diotolf von Chur mit vielen Edlen vor ihm
und klagte, wie die Edlen und Mächtigen in seinem Sprengel
aus Habsucht und aus Geringschätzung der bischöflichen Ge
walt die Kirche zu Ehur beraubten und deren Rechte schmä
lerten, wie selbst die Gotteshausleute, die auf den Gütern des
Hochstiftes saßen, Abgaben und Dienste verweigerten und frei
zu sein behaupteten. Da gebot der König allem Volke in Chur-
rätien, dem Bischof Diotolf den gebührenden Gehorsam zu lei
sten, daß in allen Fällen, wo in Absicht auf Stand, Dienste,
Rechte und Güter das Recht zweifelhaft oder dunkel wäre,
jeder gehalten fein solle, sobald es der Bischof verlangt, Zeug
nis abzulegen, daß Eigen- oder Dienstleute der Kirche zu Chur
nach Derfluß von 30 Jahren sich nicht sollen für frei erklären
dürfen, welcher Unfug tatsächlich bestand.
Auch Gisela, die Schwiegermutter des ermordeten Bur
kard, trat vor den König und bat um Gerechtigkeit. Diese
ward ihr zuteil; sie und ihre Verwandten erhielten die ge
raubten Güter zurück.