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Kaiser, Geschichte Liechtensteins.
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bau, der neben der Viehzucht ihre Hauptbeschäftigung bildete.
Die Schaft und Schweinezucht stand ebenfalls in Blüte. Der
Dreimonatweizen gedieh vortrefflich; es ist auc^ die älteste
Art Weizen. „Im gallischen Rätien ist man auf die Erfindung
verfallen, am Pfluge zwei kleine Räder anzubringen. Solch
ein Pflug heißt Plumarati" (Plu — Pflug, Rati — Räder).
So berichtet der römische Geschichtschreiber Plinius. Derselbe
erzählt weiter von den Zugtieren, sie seien klein aber kräftig
und werden an den Hörnern, nicht am Racken angejocht. Die
Bienenzucht brachte deshalb wertvollen Ertrag, weil der Ho
nig sehr geschätzt war in einer Zeit, da man den Zucker noch
nicht kannte. Auch den Weinbau betrieben die Rätier in den
günstigen Lagen. Plinius berichtet: „In den Alpen tut man
den Wein in hölzerne runde Gefäße, die mit Reisen umgeben
sind, und wenn ein kalter Winter einfällt, schützt man ihn durch
Feuer vor dem Froste." Doch dürfte der Weinbau mehr im
südlichen Rätien, am Südabhange der Alpen und im Etsch
tale betrieben worden sein.
Damals standen in Rätien viele Eichenwälder und die
Eicheln waren ein beliebtes Nahrungsmittel für die Schweine.
Beim Getreidemangel wurde aus Eichelmehl auch Brot ge
backen.
Das Rheintal war in der Ebene noch voller Sümpfe und
bewaldet, daher nicht angebaut, wohl aber die Halden. Auch
die Ortschaften lagen alle am Bergabhang und auf den Hö
hen. Ihre Wohnungen errichteten die Rätier aus rohen
Balken, deren Oeffnungen und Spalten mit Lehm und Moos
ausgefüllt waren; aus rohen Schindeln bestand das Dach. Richt
selten richteten sie auch Felsenhöhlen und vorspringende Felsen
zu Wohnungen ein, wie die vielen Funde aus keltischer Zeit
beweisen.
Die Rätier waren gelehrig und kunstsinnig. Gleich an
deren Völkern liebten es auch die ältesten Bewohner unseres
Landes rohe Steine als Denkmale zur Erinnerung an wich
tige Ereignisse zu setzen, oder um das Grab eines berühmten
Führers zu verewigen. Sie verstanden auch aus Erz Waffen
und dergleichen zu gießen. Für den hohen Kulturstand der
rätischen Bevölkerung sprechen auch die mannigfaltigen, oft
zierlichen Fundstücke der Gräberfelder in Tirol. Da der Tote
mit seinem Festschmuck verbrannt wurde, bewahrte man diesen
samt der Asche in einer Urne aus Ton auf. Reben der Urne
finden sich allerlei Beigaben, wie Tongefäße, Becher, Messer,
Handwerkszeugs u. dgl. Auch Schmuckgegenstände, z. B. Haar
nadeln, Fibeln, zierliche Gewandnadeln, Glasperlen u. dgl.