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und Feiertagen durste nicht Gericht gehalten werden: immer ward
die Heilighaltung der Soun- und Feiertage aufs Neue eingeschärft.
Wer an Fasttagen verbotene Gerichte aß, mußte zur Buße einen
Armen speisen. Es war verboten, den Armen etwas abzukaufen,
außer eS geschah vor öffentlichem Gericht.
Die meisten Bischöfe, die wir in dieser Zeit finden, waren in
Klöstern gebildet, und früher Mönche oder Aebte gewesen. So waren
die Klöster Pflanzschulen zu Heranbildung frommer und gelehrter
Kirchenvorsteher und Priester. DisentiS und PfäfferS erfreuten sich
der Gunst der sächsischen und fränkischen Kaiser. Doch als Oker,
aus dem Geschlecht der Grafen von Rapperschwil, Abt zu Disentis
war und sich gegen Heinrich II erklärte, wurde die Abtei dem Bischof
von Briren übergeben (1002), aber unter Heinrich 111 wieder von '
der Gewalt desselben befreit (1048). Würdige Männer stunden an
der Spitze dieser Abtei, die nicht blos im bündnerischen Oberlande be
gütert und reich war, sondern auch an den Ufern des Zürchersees
und in der Lombardei. Wie Disentis in Oberrätien, so übte Pfäffers
in Unterrätien seinen wohlthätigen Einfluß aus: seine Güter lagen
zerstreut in allen Theilen Churrätiens; auch in Schwaben und in der
Lombardei hatte cs schöne Besitzungen. Diese Klöster waren mit andern
des gleichen Ordens von Nah und Fern verbrüdert. Dem Mönchs
stande schrieb man außerordentliche Verdienste zu. Der Reichthum
aber, welchen die Klöster erwarben, übte frühzeitig seine verderbliche
Wirkung auf dieselben aus, weßhalb von Zeit zu Zeit neben dem
alten Orden der Benediktiner sich strengere aufthaten, wie derjenige
der Karthäuser, der Cluniacenser, der Cisterzienser und Prämonstra-
tenser. Den lauten Klagen über den Verfall der Zucht in den Klöstern
und bei der Geistlichkeit überhaupt, wovon man die Ursachen vorzüg
lich in der Simonie oder im Verkauf geistlicher Würden und in den
Ehen der Geistlichen sah, wurde durch die Anordnungen des Papstes
Gregor VII begegnet.
Mehrere Rätier zeichneten sich in der Schule zu St. Gallen aus.
Enzelin, über welchen die St. Gallischen Mönche lachten, weil er
als ein Rätier das Deutsche fehlerhaft sprach, wurde Abt zu Pfäffers;
Erchambald und Victor, Enzelin's Verwandte, gelangten zu hohen
Würden; der erstere wurde Bischof zu Straßburg, der andere war
ein beliebter Lehrer an der äußern Schule zu St. Gallen. Uebermuth
stürzte ihn in großes Unglück; häufig pflegte er sich außerhalb des
Klosters herumzutreiben. Einst schickte der Abt einen edeln Mann,
daß er ihn ins Kloster bringe. Allein Victor widersezte sich und würde
den Mann erschlagen haben, wenn nicht die Knechte desselben zu
Hülfe herbeigeeilt wären. Sie bemächtigten sich Victor's und stachen
dem Unglücklichen die Augen aus. Ein anderer Victor, vielleicht ein
Sprößling der alten Grafen von Chur, war Abt in Disentis.