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Unter dem Adel selbst gab es noch nicht die Abstufungen, welche
später hervortreten. Zu den eigentlichen Großen gehörten nur
vicsenigcn, welche ein hoheö Amt, wie das eines Herzogs, oder
eines Gaugrafen bekleideten. Die Edeln hießen in Rätien „Senio-
res," d. t, die Alten, die Herrn. Sie waren Besitzer der Höfe,
bei denen sie Burgen anlegten, von welchen sie sich späternannten.
Um die Burg herum behielten sie sich Wies- und Ackerland vor,
so wie Weiden, Alpen und Wälder; überhaupt was an nuzbaren
Rechten zum Hof gehörte, ward auf die Burg übertragen. Das
übrige ward Leibeigenen, Colonen oder Zinslcuten überlassen, oder
zu Lehen an Vasallen und Dienstmannen ausgetheilt. Da diese
auf des Herrn Grund saßen, hatte der Grundherr auch Gerichts
barkeit über sie, vertrat sie andern Herrn, oder der Gaugemeinde
gegenüber vor dem Gerichte des Gaugrafen. Am gleichen Orte,
wie z. B. in Nüzid ers, saßen pflichtige Leute des Stifts zu Chur,
der Gotteshäuser Einsiedeln und St. Gallen und weltlicher Herrn.
Man darf sich also in den Ortsnamen damaliger Zeit, wenn sie
gleich mit den jetzigen gleichlautend sind, nicht Dörfer oder Ge
meinden unserer Zeit vorstellen, wo sämmtliche Bürger freies Ei
genthum besitzen, an Rechten und Pflichten, als GemeindS- und
Staatsangehörige gleich sind und unter gleichen Gesetzen leben. Die
Leute im gleichen Dorfe konnten damals gar ungleich an Rechten
und Freiheiten sein. Die Herrn d. i. die Edeln, beschäftigten sich
vorzugsweise mit Jagd und Krieg und die Zeit, welche ihnen nach
diesen Geschäften übrig blieb, verbrachten sie bei lärmenden Trink
gelagen, oder in müßiger Ruhe auf der einsamen Burg. Ihre
Leibeigenen oder pflichtigen Leute waren nicht durch gemeinsame Ab
stammung oder ähnliche Bande mit ihnen verbunden; bei dem Herrn
war es der Vortheil und die Gewalt, durch die er seine Leute
fesselte. Anders war das Verhältniß der Vasallen, oder Lehenleute,
zu ihrem Lehensherrn; jene gelobten diesem Treue und verpflichteten
sich zu bestimmten Diensten, vorzüglich zum Kriegsdienst; dafür gab
ihnen der Herr ein Lehengut, oder sonst ein nuzbares Recht. Die
jenigen geringern Lehenleute, welche sich dem Herrn zu allerlei
Diensten verpflichteten, und dafür Güter erhielten, hießen Dienst-
mannen. Solcher Dienstmannen besaß das Hochstift eine große
Zahl; sie hatten das Recht, daß sie der Bischof nur mit ihrer eige
nen Zustimmung zum Kriegsdienst, oder zu andern Diensten auf
bieten konnte. Wo cs Krieg, Frieden oder Veräußerungen des
Stiftsguts galt, mußte der Bischof die Zustimmung seiner Dienst
mannen einholen. Sie nannten sich freie Dienstmannen und doch
wurde, wenn ein solcher Dienstmann starb, dem Bischof der Fall
d. i. das beste Kleid oder das beste Pferd gegeben. Es gab eine
Klasse von Dienstmannen, die niedriger standen und jene Rechte
nicht hatten. Zum Stande der Dienstmannen gehörten nur gerin
gere Edle, Freie und Unfreie. Als größere Lehenleute erscheinen