70
leztere Geschworne. Die Wahl war den Colonen überlassen doch
so, daß der Herr zum Meyeramt drei ehrbare Colonen vorschlug,
aus denen sie denjenigen, der ihnen am besten gefiel, wählen konnten.
So war es im Engadin, im Domleschg und in fast allen Gegenden
von Churrätien. Dies beweisen auch spätere Urbarien, die sich
immer wieder auf frühere, oder noch ältere berufen. Die Colonen
hatten ihren Grundherren gegenüber eine rechtliche und vertrags
mäßige Stellung; darum wollten sie nicht für Eigenleute gelten.
Aus ihnen konnte sich ein tüchtiger Bauernstand entwickeln.
Mit den Colonen sind verwandt die Zinsleute; sie hatten kein
Alod, oder Freigut, sondern ein Lehen gegen einen bestimmten Zins
in Geld. Persönlich waren sie frei; sie waren zu Wachtdienst ver
pflichtet, besonders in der Stadt Chur und an den Grenzen des
Gaues. In Domleschg gab es Zinsleute, die Quartani hießen,
von dem Gute, das sie hatten, welches Quarta genannt ward.
Unter diesem Namen erscheinen sie noch im 14. Jahrhundert. So
heißt cs in dem Urbar, das unter Bischof Johann gefertigt wurde:
„Zu Veldens 4 Quarten, von denen soll ein Bischof haben jährlich
4 Schilling werth an Käse und 4 Schilling werth an Korn und
sind die Quarten genannt eine von Rietberg, eine von Juvalt,
eine von Realt, eine von Bärenburg." — Mit den Quartani in
Verbindung kommt der Ausdruck Quadrant vor. Eichhorn hält
sie für Einzieher der königlichen Gefälle in einem bestimmten Distrikt.
Sie haben ihren Namen wohl von dem Gute, das Quadra hieß.
Der Ausdruck Quadra als Benennung für gewisse Wiesen hat sich
bis auf den heutigen Tag erhalten. Darnach dürften die Quad-
rarn solche Zinsleute sein, die herrschaftliche Quadren lehensweise
nuzten, oder die Besorgung derselben hatten.
Die eigentlich Freien hatten ihr eigenthümliches Erbgut, das
keinem Grundherrn unterworfen war, und auf dem keine andere
Lasten ruhten, als der Dienst des Reiches erforderte. Diese be
standen in Reichssteuern, in der Verpflichtung zum Kriegsdienst, zur
Landesvertheidigung, und in der Vogtsteuer, welche die Erhaltung
der Rechtspflege nöthig machte. Wie die Leistungen der Leibeigenen
von denen der Colonen, so sind die Leistungen der Freien von denen
der Lehenleute zu unterscheiden. Viele dieser Freien begaben sich
in den Schuz der Kirche zu Chur, andere erhoben sich zum Rang
von Rittern und Edeln. Die freie Geburt und Abstammung war
die erste Bedingung des Adels. Die freien Leute stunden unter
dem Reichövogt zu Chur, oder unter dem Gaugrafen. Solcher
freien Leute gab es in allen Centgrafschaften, namentlich zu Flums
und im Bergell. Ueber die Leute, die zur Kirche von Chur, zu
Disentis, Schaums oder Pfäffers gehörten, richtete der Kastvogt.
Die Wahl desselben war durch kaiserliche Freibriefe dem Hochstift
und den Klöstern überlassen.