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einzelner Besitzungen Stände des Reichs und stimmten auf Reichs
tagen. Der Churfürst von Brandenburg führte seit 1701 wegen
Preußen den Königstitel. Dem neu gewählten Kaiser legten die
Stände eine Wahlkapitulation vor, d. i. gewisse Bedingungen, unter
denen er sein Amt verwalten sollte und dabei vergaßen sie nicht,
ihre landesherrlichen Rechte zu wahren und zu mehren. Vorzüglich
drangen sie darauf, daß die Landstände und Unterthanen eines jeden
Reichsstandes zum Unterhalt der Reichsgerichte, der Landesdefension,
Reichsanlagen u. s. w. sollten zur Beihülfe gezogen werden dürfen
und daß keinerlei Privilegien vor solchen Lasten schützen und die
Reichsgerichte keinerlei derartige Klagen der Unterthanen gegen ihre
Herren annehmen sollen. Deßhalb wurden auch den Landschaften
Vaduz und Schellenberg die Verträge von 1614 und 1688 nicht
gehalten. Landstände oder Landsassen nannte man den Adel, die
Geistlichkeit und die Städte, alles andere waren Unterthanen. Je
größer die Macht der Reichsstände in ihrem Lande und über ihre
Unterthanen wurde, desto weniger galt der Kaiser. Zwischen den
Reichsständen selbst wurde die Einigkeit durch Eifersucht, Rang-
streitigkeiten und die Verschiedenheit der Religion getrübt. Die
religiösen Besorgnisse wurden stets wach erhalten, zumal da die
Jesuiten sich alle Mühe gaben, die abgefallenen Glieder zum alten
Glauben zurückzuführen. Einigkeit und Vertrauen zwischen dem
Kaiser und den Ständen hätte Großes bewirken mögen; aber beides
fehlte in entscheidenden Augenblicken und nur zu oft schlossen sich
deutsche Stände an auswärtige Mächte wider Kaiser und Reich.
So kam es, daß die Reichskriege, ohne Nachdruck geführt, zum
Nachtheil des Reiches endeten. So wenig belebte vaterländischer
Sinn die Herren und ihre Rathgeber, daß Frankreich schon damals
den Plan zum Umsturz des deutschen Reiches fassen konnte. Er
freulich sind die Fortschritte, welche die Deutschen in dieser Zeit in
den Künsten und Wissenschaften machten.
4. Die Anstände mit der Geistlichkeit.
Der Ankauf der Herrschaften Vaduz und Schellenberg und das
bei dem schwäbischen Kreise angelegte Kapital belief sich auf die
Summe von 661,000 fl. Der Ertrag der herrschaftlichen Gefälle
reichte kaum hin, die Zinsen zu decken; denn es wurden im Jahr
1720 die Einkünfte auf 8768 und die Ausgaben auf 4387 fl.
berechnet; aber im Jahr 1763 stiegen die ersteren schon auf
17,307 fl. Der fürstliche Kommissär Harprecht hatte den Auftrag,
die Verwaltung zu ordnen und darüber eine ausführliche Instruktion
von Anton Florian erhalten. Die alte Polizeiordnung «vurde im
Ganzen bestätigt, nur „das abscheuliche Tabacktrinken", so nannte
man damals das Rauchen, wurde bei schwerer Buße verboten. Auch