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wandte sich deßhalb an den König von Frankreich, der seinem
Gesandten in Bünden austrug, sich der armen Prämonstratenser
anzunehmen: er erlangte auf diesem Wege auch soviel, daß der
Rath von Chur die Verwaltung des Klostervermögens den recht
mäßigen Eigenthümern zurückstellte. Abt Georg konnte aber von
diesem Recht keinen Gebrauch mache»; es raffte ihn, wie seinen
Nachfolger Jakob Rauch und den Pater Christoph Schwarz die Pest
zu Bendern hinweg (1629).
Doch kehren wir zum Jahr 1622 zurück. Der Ausgang des
selben war für Bünden sehr traurig. Der verheerende Krieg hatte
die Vorrätbc aufgezehrt oder zerstört. Theurung, Hunger, und im
Gefolge dieser Uebel eine ansteckende Seuche, „die ungarische Krank
heit" genannt, suchten das unglückliche Land heim. Sie brach zuerst
unter den Soldaten im Lager zu Maicnfeld aus. Der Genuß
unzeitiger Trauben, des neuen Mostes und ähnlicher Dinge erzeugten
die „Colica", die sich zur „ungarischen Sucht" gesellte. Das Uebel
griff schnell um sich, verbreitete sich nach Chur und drang in die
umliegenden Thäler. Zu allem diesem kam noch die Wuth einer
ungezügelten Soldatesca. Auch die Grafschaft Vaduz hatte sich
darüber zu beklagen; die Wälschen waren es besonders, die bei
ihrem Durchmarsch so übel hausten. Der Landvogt von Vaduz
beschwerte sich deßhalb bei dem Obersten, dem Grafen Alwig von
Sulz (12. Dec. 1622). Mit Recht nannten die Prättigäuer diesen
Winter „Hungerwinter". Graf Alwig gestand übrigens, daß sich
die Prättigäuer mannhaft und tapfer geschlagen. Auf der Wiese
Aquasana ab Raschnals stürzten 30 Prättigäuer mitten in den Feind,
Tod und Verderben verbreitend und fanden den Tod der Helden,
den sie gesucht. Die Uebermacht, wie erzählt, bezwang das tapfere
Volk und Graf Alwig suchte seine Leiden, so viel er vermochte,
zu mildern. Oestreichische Kommissarien nahmen die Prättigäuer,
Davoser, Unterengadiner und Münsterthaler in Eidespflicht: sie
behielten sich jedoch Gewissensfreiheit vor. Auch verhieß ihnen Graf
Alwig, daß sie in ihrer Religion nicht sollten gestört werden. Die
8 Gerichte mußten Geißeln geben, die im Schloß Schattenburg
zu Feldkirch verwahrt wurden, aber später entrannen. "Zu einem
Landvogt sezte man den Prättigäuern Johann Viktor Travers; die
Kirchen übergab man den Kapuzinern. Auch wollten die Oestreicher
eine Vestung auf der Steig und bei der Zollbrücke anlegen; aber die
Eidgenossen waren dawider. Im Weinmonat brannte Maienfeld ab
bis auf das Schloß und im Christmonat zogen die Oestreicher ab; nur
in Maienfeld und Chur blieben Besatzungen.
Die Eifersucht auf Oestreichs Glück und Größe bewog Frank
reich, Venedig und Savoyen zu einem Vertrage, um den Bündnern
zu helfen (1623). Durch französisches Geld wurden Truppen in
der Schweiz geworben; die des Glaubens wegen vertriebenen Bünd
ner brachen unter Rudolph von Salis nach ihrer Heimat auf.