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an die Eidgenossen, verließ heimlich Chur und begab sich nach
Fürstenburg. Er war nicht zur Rückkehr zu bewegen, resignirte
lieber auf das Bisthum (1582) und beschloß seine Tage in Tirol.
An seine Stelle ward Peter Rascher, der Domkantor, gewählt
(1581 — 1601); er beschwor die mehrerwähnten Artikel, fand aber
das Hochstift tief verschuldet. Daher bekümmerte er sich mehr um
die Bezahlung der Stiftsschulden, als um die Erhaltung und För
derung der katholischen Lehre, wie ihm der hl. Karl Borromäus
in einem Schreiben vom Jahr 1583 vorhält. Die Reformation
machte immer größere Fortschritte, woran zum Theil der elende
Zustand der Geistlichkeit, ihre Unwissenheit und Verderbuiß Schuld
war. Deßwegen gründete der fromme Erzbischof Karl Borromäus
das Collegium Borromaeum in Mailand, wo 40 junge Leute aus
Bünden und der Schweiz zum geistlichen Stande gebildet werden
konnten. Weit größeren Eifer und größere Thätigkeit in Erhaltung
der katholischen Religion und der bischöflichen Gerechtsame zeigte
Peter's II Nachfolger, Johann Flugi von Aspermont (1601—1627).
Er entließ sogleich alle Nichtkatholiken aus seinem Dienste und
konnte nur mit Mühe zur Beschwörung der 6 Artikel gebracht
werden. Bischof Johann V predigte selbst und hatte im Sinne,
eine Diöcesansynode zu halten und den Sprengel zu bereisen, wovon
ihn wohl nur die Unruhen abhielten, welche Bünden damals er
schütterten. Er erließ zweckmäßige Vorschriften und Verordnungen
an die gesammte Geistlichkeit und mahnte sie von der Ueppigkeit und
Trunkenheit ab. „Bei gar vielen Geistlichen, schreibt er, ist die
abscheuliche Sitte eingerissen, daß sie Wirthshäuser und andere un-
gebürliche Orte besuchen, sich voll trinken, zanken, singen, toben,
Possen treiben und dem Volke höchlich Aergerniß geben. — Die
Geistlichen sollen nicht die Chirurgen, Aerzte, Wirthe, Krämer,
Mezger, Jäger, Wahrsager und Gaukler machen. — Jeder soll aus
seiner Pfründe wohnen und sich keinen Tag von derselben ent
fernen. — Auf fromme Studien und Gebete sollen sie sich verlegen,
dies seien ihre rechten Waffen." — Vortrefflich ist die Anleitung,
welche er insbesondere den Pfarrgeistlichen gibt, in Bezug auf die
würdevolle Feier des Gottesdienstes, die Unterweisung des Volks,
die Verwaltung der Sakramente und die Abhaltung der Landkapitel.
Diese Verordnungen bilden ein Seitenstück zur Polzeiordnung, die
wir oben ausführlich erwähnt haben, und geben den Schlüssel zur
Erklärung der Roheit und des Sittenverfalls, wie er damals unter
dem Volk gäng und gebe war. Allein der Eifer des Bischofs Jo
hann V mißfiel den Lenkern des Gotteshausbundcs, zumal den
Prädikanten. Auf ihr Geschrei sollte der Gebrauch der Orgel und
andere katholische Gebräuche abgestellt werden. Standhaft jedoch
widersezte sich Bischof Johann V. Harte Prüfungen standen ihm
bevor und die Folge wird zeigen, wie er sich darin bewährte.