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Man sagt, daß Bischof Tello die Kathedrale zu Chur gebaut habe
und es ist sehr wahrscheinlich. Die Taufe geschah damals Ln der
Regel nur zu Ostern und Pfingsten. In der Fastenzeit brachte man
die Täuflinge in die Kirche und die Gemeinde betete über sie, die
Taufe selbst geschah durch dreimaliges Eintauchen, woher auch der
Name stammt; beim Abendmal wurde Brod und Wein gereicht.
Die Bischöfe predigten selbst und hielten strenge darauf, daß die
Geistlichen das Volk in der reinen Lehre unterrichteten: alljährlich in
der Fastenzeit wurden die Kirchen des Sprengels von dem Bischöfe
besucht und der Wandel der Geistlichen geprüft. Die Ehe war ihnen
damals nicht geradezu verboten; doch der ehelose Stand immer mehr
empfohlen, auch war ihnen Spiel, Jagd und Krieg untersagt. Bei der
Bischofswahl hatte neben der Geistlichkeit auch das Volk eine Stimme.
Eine erhabene Aufgabe hatte die Kirche: der Menschheit zu bewahren
den Glauben an ein sittliches Reich und an eine unsichtbare Welt.
Das dritte Kapitel.
Die Karolinger.
(768—911)
1. Karl der Große
Noch erlebte Bischof Tello den Regierungsanfang dieses gewal
tigen Herrschers und die Bezwingung der Longobarden, welche der
selbe in einem Feldzuge vollbrachte (774). Im gleichen Jahre
starb Bischof Tello, wie Eichhorn will, wahrscheinlicher jedoch fällt
sein Todesjahr zehn Jahre später (784). Ihm war Zacco II, der
lezte Graf aus dem Geschlechte der Victoren vorangegangen. Den
bischöflichen Stuhl bestieg Constantius, welchen die Geistlichkeit und
das Volk gewählt und Karl bestätigt hatte. Das rätische Volk ließ
die Bitte an Karl den Großen gelangen: daß er es, gleich seinen
Vorfahren, in seinen unmittelbaren Schirm nehme, ihm seine alten
Rechte und Gewohnheiten bestätige und es von aller auswärtigen
Gerichtsbarkeit und ungerechten Beschwerung befreie. Karl willfahrte
der Bitte in Anbetracht der großen Treue, welche die Rätter seinen
Vorfahren bewiesen und übertrug das Amt eines Präses oder Grafen
in bisheriger Weise dem Bischof Constantius.
Im Jahr 799, als Papst Leo III das Kloster Pfäffers in seinen
Schuz nahm, begab sich Karl der Große nach Italien. Zu Anfang
des folgenden Jahres (800) ward er in Rom zum abendländischen