Volltext: Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein

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Vikar versehen lassen; könne oder wolle er sie nicht selber versehen, 
so soll die Pfarrgemeinde berechtigt sein, sich einen Seelsorger nach 
ihrem Gefallen zu wählen. Bei Strafe der Absetzung sollen die 
Pfarrer den Sterbenden beistehen und ihnen den lezten Trost reichen. 
Kein Geistlicher soll solche, die auf dem Todbette sind, zu frommen 
Vermächtnissen bewegen. Das Eigenthum verstorbener Priester soll 
den rechtmäßigen Erben zufallen. Es sollen keinerlei Prozesse, aus 
genommen wegen Ehesachen und Kirchcn-Einkünsten, vor das geistliche 
Gericht in Chur gebracht werden. Die geistlichen Rechtssachen sollen 
nicht in lateinischer, sondern in deutscher Sprache verhandelt werden, 
damit das Volk sie verstehen könne. Der übermäßige Prunk und 
Klcideraufwand bei der Geistlichkeit soll abgestellt werden." Diese 
Beschlüsse zeigen einerseits, worin die Beschwerden bestanden, die 
man gegen das geistliche Regiment hatte, andererseits, wie tief das 
Ansehen der Geistlichkeit gesunken sein mußte, daß die weltliche Be 
hörde mit solchen Verordnungen auftreten konnte. 
Der Dompropst zu Chur besaß die Pfarrei zu St. Martin, 
ließ sie aber durch einen Vikar besorgen und bezog die Einkünfte 
für sich. Gestüzt auf die Jlanzer-Artikel verlangte der Rath, daß 
der Dompropst die Pfarrei selbst versehe, oder aufgebe. Da er sich 
dessen weigerte, berief der Rath den Johann Dorfmann als Pfarrer, 
welcher der Lehre Zwingli's ergeben war. Auch der Pfarrer an 
der Kirche zu St. Regula mußte einem Neugläubigen weichen. Ein 
Anhänger der neuen Lehre kam nach Fläsch und als es hieß, er 
werde den nächsten Sonntag predigen', strömte das Volk zahlreich 
herbei, auch aus der Herrschaft Vaduz. Von den Mönchen und 
Geistlichen, den Lehrern des Volks, ging die Reformation aus, sie 
stunden an der Spitze der Bewegung. Die Fürsten, Herren und 
Städte sahen bald, welche Vortheile ihnen in ökonomischer und politi 
scher Hinsicht aus der Reformation erwachsen könnten und schlossen sich 
derselben an. Merkwürdig ist es, daß gerade Vorarlberg damals 
tüchtige Reformatoren lieferte, wie die Gebrüder Spreitcr von St. 
Gallenkirch im Montafun, von denen der eine die neue Lehre zuerst 
in St. Antonien, wo er Pfarrer war, verbreitete, der andere zu 
Davos; Sigmund Rötelin von Bregenz und Thomas Gasser von 
Pludenz lehrten in Lindau. Samuel Frick, Pfarrer in Maienfeld, 
widersezte sich Anfangs der Glaubensneucrung und reifte selbst nach 
Rom, um an der Quelle Trost und Rath zu schöpfen, war aber, als 
er zurückkehrte, aus einem Widersacher ein eifriger Verkündiger der 
neuen Lehre geworden. So machte die Reformation schnelle Fort 
schritte in Bünden. Hans von Marmels, der östreichische Vogt in 
den acht Gerichten des Prättigau's, war von der Regierung in 
Jnnspruck angewiesen, gegen die Neuerungen in Absicht auf Priester 
schaft und geistliche Lehenschaft zu protestiren. Oestreich halte sich 
durch die Jlanzer-Artikel nicht gebunden und werde die alte Ord 
nung in den acht Gerichten nach dem alten Herkommen handhaben.
	        

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