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in Unterrätien vorzüglich Graf Albrecht von Werdenberg, der
Aeltere zu Pludenz, sahen ein, daß sie keine festere Stütze gewinnen
könnten, als dre, welche sich auf die Liebe und Treue des Volkes
gründet, und verbanden sich mit demselben zu gegenseitigem Schuz,
ohne Unterschied des Standes, mit Edeln, Unedeln, Freien und
Eigenleuten. Dadurch erhielten auch die leztern eine rechtliche Aner
kennung und Stellung, die jede willkürliche Behandlung ausschloß,
indem der Bund eben so wohl die Beschützung der Rechte des Volkes,
als der Herrn übernahm: dies machte allein eine rechtliche und
moralische Ordnung in Bezug auf Besiz und Eigenthum möglich.
Im gleichen Verhältnisse stunden die Leute des Gotteshauses von
Chur zum Bischof und Domkapitel; sie waren von allen Reichslasten
frei vermöge der Privilegien, die das Hochstift von chen Kaisern
erhalten. Ohne Zustimmung der Gotteshausleute konnte der Bischof
weder Krieg führen, noch Bündnisse schließen; sie schüzten ihre ei
genen Rechte, wie die des Hochstifts. Viele suchtkn die Aufnahme
in den Stand der Gotteshausleute nach. So ledigte Bischof Johann
(1387) den ehrbaren Mann Heinrich Durmann in Glurns der
„Aigenschaft," da sich derselbe mit Weib und Kindern ergeben und
geopfert habe „Unserer Frauen und dem Gotteshause zu Chur".
Der Bischof nahm ihn zum Gotteshausmann an^ ertheilte ihm „all
Recht, Freiung und Gnad", welche die Dienstleute des Gotteshauses
genießen, und befahl seinen Amtleuten, ihn, wo nöthig, bei diesem
Recht zu schirmen. Noch viel später (1475) ließ sich Graf Jörg
von Werdenberg-Sargans mit Schloß Ortenstein, Land und Leuten
ob der Lanquarl zu einem „rechten Gotteshausmann" aufnehmen. So
bestand der Gotteshausbund der Natur der Sache nach, ohne daß eine
ausdrückliche Urkunde aufgerichtet ward, viel früher als die andern
Bünde, und so wurden die Gotteshäuser zu Chur und zu Disentis die
Stifter der rätischen Bünde und Freiheit.
Als die Gaugrafschaft von Churrätien zuerst in Ober- und Unter
rätien und dieses wiederum in mehrere besondere Grafschaften getheilt
ward, blieben den Herren über die einzelnen Theile all die Rechte, welche
dem Ganzen zuständig gewesen. Sie wurden auf ihren Gebieten selbst
herrlich und wie früher die Gaugrafschaft unmittelbar unter das Reich
gehörte, wurden auf die Theile unmittelbare Reichsherrschasten und
ihre Besitzer Stände des Reichs. Graf Heinrich von Vaduz ließ sich,
wie erzählt, vom römischen König Wenceslaus seine Grafschaft zu
Vaduz, und alle seine andern Herrschaften, nämlich Blumenegg und
Schellenberg mit allen Rechten, Handvesten, Briefen ui s. w. als
Reichslehen förmlich bestätigen (1396). Was unter jenen „Rechten"
zu denken sei, gibt die Urkunde an, nämlich: Land, Leute, Städte,
Vesten, Märkte, Dörfer, Mannschaften, Lehenschaften, Gericht, Zölle,
Mühlen, Aecker, Wiesen, Wälder, Fische, Wasser, Teiche, Jagd,
Vogelrecht und „sonst andere ihrer Zugehörungen." Nun erst wurde
auch Schellenberg eine unmittelbare Reichsherrschast; denn ihre frühern