Volltext: Geschichte des Fürstenthums Liechtenstein

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versah „der geistliche Richter" zu Chur die Stelle des Erzhelfers. 
Engadin und Vintschgau hatten ihre besondern Erzhelfer. Die Erz 
helfer waren die Stellvertreter des Bischofs in ihren Dekanaten, 
sie bestellten die Pfarrer und Kapläne mit Ausnahme derjenigen, 
deren Wahl sich der Bischof vorbehielt, oder den Klöstern zustand. 
Sie hielten die Visitation in ihren Dekanaten, übten geistliche Ge 
richtsbarkeit. Ihnen lag ob, Geistliche und Kirchen fleißig zu be 
suchen und über die Befolgung der kirchlichen Verordnungen zu 
wachen. Alle Schaltjahre hielten sie ein Sendgericht über die Laien. 
Der Erzhelfer erschien zur bestimmten Zeit in den Pfarreien seines 
Dekanats und hielt Gericht über die Laien, man nannte es „Ta- 
vellen." Folgendes sind die Gegenstände, über welche bei diesem 
Gericht die Untersuchung waltete: „der katholische Glaube, ob alle 
treu an demselben halten; die Satzungen der Kirche, ob jemand 
die Freiheit der Pfarrkirche antaste, die Güter derselben wider Recht sich 
zueigne, ob alle die Befolgung der Kirchenverordnungen beschworen 
haben; Meineid und falsches Zeugniß, alle Arten Unzucht und Ehe 
bruch; Kindsmord; geheime Eheversprechungen und verbotene Ehen; 
Kinderaussetzung; Preisgebung und Hülfloslassung von Kranken 
und Sterbenden; verborgener Aussaz; Maaß und Gewicht; Sicher 
heit der Landstraßen und des Pfarrwegs; die Allmenden und ihre 
Benutzung; die schlechten Zehentgeber; die Nichtbeobachtung der 
Fasten; die Entheiligung des Sonntags und der gebotenen Feier 
tage; der Wucher und die Wucherer; Kirchendiebstahl oder Diebstahl 
kirchlicher Gegenstände; die Gebannten; die Vernachläßigung des 
Gottesdienstes; die Verhinderung > der Testamente." Solche Dinge 
behandelte das geistliche Sendgericht. Die Schuldigen wurden nach 
Umständen mit Geldbußen beleget, oder Kirchenstrafen unterworfen. 
Jede Feuerstatt zahlte dem Erzhelfer unter der Lanquart, wenn er 
Gericht hielt, drei Pfennige, ob der Lanquart einen Schilling. In 
Bcrgell, im Engadin ob und unter Pontalt behielt sich der Bischof 
vor, das Sendgericht in Person zu halten oder einen Stellver 
treter abzuordnen. 
Der Bischof ernannte einen Vikar, der an seiner Statt die 
geistlichen Verrichtungen besorgte, einen geistlichen Richter und 
Pönitentiar. 
Nach der Strenge der Grundsätze, die seit Gregor VII festge 
halten wurden, konnte kein Weltlicher eine geistliche Stelle vergeben. 
Sonach hatte nur der Bischof das Recht, Pfarrer und Vikare zu 
setzen. Indeß verblieb den Weltlichen das Patronatsrecht, aber 
nur als Vorschlagsrecht, dem Bischöfe war jedenfalls die Bestätigung 
vorbehalten. Er war der Beschützer der Rechte der Pfarrkirchen. 
Die Geistlichkeit und ihre Güter waren von allen öffentlichen Lasten 
und aller weltlichen Gerichtsbarkeit befreit. Neben dem „Widum" 
gehörte der Pfarrkirche der Zehnten, zuerst vom Getreide (Groß 
zehnt) dann von allen Früchten (Klcinzehnt), und der Blutzebnt,
	        

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