Das erste Kapitel.
Mticn ins zur Herrschaft der Franken
(536.)
1. Die Rätter.
Das Ländchen, welches jezt den Namen Fürstenthum Lichtenstein
trägt, war einst ein Bestandtheil des eigentlichen, oder Chur-Rätiens.
Dies erstreckte sich so weit, als in der christlichen Zeit der Hirtenstab
des Bischofs von Chur reichte. Man gibt zwar dem alten Rätien
eine weit größere Ausdehnung und rechnet auch Vindelizien dazu,
welches die Römer das zweite Rätien genannt haben. Da aber
das Bergland, welches den uralten Sprengel des Bisthums Chur
bildete, von jeher den Namen Rätien geführt hat und theilweise
noch führt, so ist auch da das eigentliche Rätien zu suchen und von
diesem allein wird in den nachfolgenden Geschichten die Rede sein.
Die Richtung der Gebirge und der Lauf der Haupt- und Neben
flüsse schied das eigentliche Rätien, oder Chur-Rätien in eine Menge
großer und kleiner Thalschaften, wie in das Thal des Vorder-Rheins
mit dem des Glenners, in das Thal des Hinter-Rheins mit dem
der Albula, in die Thäler der Plessur, der Lanquart, der Jll und
in diejenigen am Ursprung des Inns und der Etsch. Man sagt,
daß in den Urzeiten der Ell- und Schollberg eine zusammenhängende
Masse gebildet und den Rhein genöthigt haben, seine Richtung durch
das Sarganserland zum Wallenstadter-See zu nehmen, bis die Ge
walt der Wasser, oder andere Naturkräfte jene Felsen durchbrachen
und ihm seinen jetzigen Lauf anwiesen. Wenn der Rhein an den
Ruinen der alten Burgen Blatten und Neuburg vorbei ist, hat er
das alträtische Land hinter sich und gelangt in ein immer weiter
sich öffnendes Thal, das in alten Zeiten von Wald und Sümpfen