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pflegen, das sei sein steter Morgensegen; Gott möge ihr Seele
und Leib bewahren und ihr nimmer Uebles widerfahren lassen.
So dichte er auch dieses Büchlein seiner lieben Frau nach
ihrem Willen.
Wenn wir aber auf den Inhalt des Gedichts eingehen,
so sehen wir, daß, obwohl sich Ulrich trotz seiner sünfundfünfzig
Jahre, die er damals mindestens zählen mußte, gleich geblieben
ist, dennoch die Welt, die Männer wie die Frauen um ihn
herum sehr geändert haben. Der Inhalt ist ein Streit zwischen
einer edlen Frau und einem Ritter über die Frauen und
Männer der Zeit, welchen Streit Ulrich selbst zu schlichten be
rufen wird. Beide Streitende klagen gegenseitig das andere
Geschlecht an. Warum, fragt die Dame, sind die Männer
heute so freudenlos und übellaunig; sie lebten so trauriglich,
daß es wahrlich den Frauen mißbehage. Nun, antwortet der
Ritter, weil die Frauen sie nicht mehr freundlich grüßen und
stumm dasitzen und kaum antworten, wie gemalte Bilder. Das
komme eben nur daher, sagt die Dame, weil es keinen ritter
lichen Frauendienst mehr gebe. So gehen Klagen und Gegenklagen
wechselnd fort. Die Frauen, heißt es, kleiden sich trübselig wie
die Nonnen, verschleiern Gesicht und Augen und hängen sich
als Schmuck ein Paternoster vor und anstatt zum Tanze gehen
sie Tag und Nacht zur Kirche. Die Männer, wird dagegen
erwidert, bekümmerten sich nicht mehr um die Frauen; sie liegen
den ganzen Tag auf der Jagd, kommen Abends spät heim,
setzen sich zum Brettspiel, trinken bis Mitternacht und taumeln
dann zu Bett, um es am nächsten Tage ebenso zu machen.
Was sich beide Theile noch Schlimmeres vorzuwerfen haben,
übergehen wir lieber, umsomehr als das Frauenbuch rein
didactisch-satyrisch ist und neue Thatsachen für die Geschichte
unseres ritterlichen Dichters nicht vorbringt. Er schließt es
übrigens mit denselben Gedanken, die ihn als Kind beseelt,
als Jüngling zu Excentritüten verleitet und noch als Mann
zu ritterlich-romantischen Abenteuern veranlaßt haben, mit der