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Ulrichs sammelten sich und zogen von Judenburg hinauf gegen
die Frauenburg. Aber ihre Ankunft brachte dem Gefangenen
nur noch mehr Ungemach. Pilgerin führte ihn hinaus auf
einen Balkon, band ihm einen Strick um den Hals und hieß
ihn seine Freunde zum Abzug mahnen, so lieb als ihm sein
Leben fei. Dem Unglücklichen blieb nichts anderes übrig,
und die Freunde zogen umsonst wieder ab. Dennoch drohten
ihm die Frevler mit dem Tode für den nächsten Tag und
Ulrich bereitete sich dazu vor, nahm weinend Christi Leichnam
in seine Hände und empfahl ihm seine Seele. Am nächsten
Morgen erschien Pilgerin und fragte ihn, was er für sein Leben
gäbe. Alles, was er habe, antwortete er; da ließ ihn Pilgerin,
dessen Absicht und Gier auf Gewinn stand, am Leben, ließ
ihn aber einschmieden in eine schwere Kette, darin er manchen
Tag schmachten mußte.
In dieser jammervollen Noth, in der er ein Jahr und
drei Wochen verlebte, verließ ihn noch der alte Sinn nicht,
die Poesie und die Verehrung der Frauen. Er fand, worüber
sich, wie er selbst sagt, mancher verwunderte, Stimmung zu
einem Liede, worin er die Frauen um Hülfe bat und die Eine
pries, die er verehrte, weil der Gedanke an sie ihm den Muth
aufrecht hielte 4 ). Oft trat ihm in dieser Zeit der Tod nahe,
denn Pilgerin rannte ihn mit Schwert und Messern an. End
lich schlug die Stunde der Erlösung. Graf Meinhard von
Görz, den Kaiser Friedrich II. als Landeshauptmann (wie
Ulrich sagt, als Herren) in das Steierland gesandt hatte, der
selbe, den Ulrich schon im Beginne der Venusfahrt in ritter
licher Weise hatte kennen lernen, kam mit vielen Herren vor
die Frauenburg, als er von Ulrichs Gefangenschaft gehört
hatte. Durch ihn wurde er allerdings frei, aber für ein schweres
Lösegeld, und er mußte seine Burg Frauenburg und seine beiden
i) Frauendienst 545.