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XTenn er nur gekommen wäre in jener Sturmes-
nacht! All das Gräßliche der letzten Zeit wäre erspart
gewesen.
Der Gerichtstag nahm seinen weiteren Verlaus.
* *
*
Anna Stof war ganz allein in ihrer Stube; keine
Wacht der Erde hätte sie zwingen können, zum Gerichts
tag nach Vaduz zu gehen.
Sie litt furchtbar. Sie litt zweifach, um das arme,
unglückliche Gretli, das heute sein Urteil hören sollte,
und um ihren Buben.
Wie ihr das Herz blutete, wenn sie sein Leid mit
ansah! Wie hatte sic gebetet und gerungen!
Von den Amen war sie heute fast den ganzen Tag
nicht gekommen. Wie ihr die heißen, trocknen Augen
brannten; nicht ein einziger Tropfen preßte sich aus
den brennenden Lidern, die Tränen waren gänzlich ver
siegt. Zu viele hatte sie deren geweint in der letzten
Zeit, nun war dieser erlösende Born versiegt; aber das
Leid war noch da, noch größer war es geworden.
Heute wurde das Urteil gesprochen.
Als der Tag schon weit vorgeschritten war, kam
leise und unbemerkt noch eine andere Frauengestalt in
die Stube. Die Truda war's, Hans Tberlins Weib.
Die war auch so vergrämt und verhärmt, daß man das
schöne, stolze Weib kaum wiedererkennen konnte.