es die Näherkommende kaum erblickt hatte, mit eiligen
Schritten und einem lauten Freudenruf auf Gretli zu.
Diese fing das Rind auf, hob es mit beiden Armen
hoch und küßte es; dabei streichelte es ihm die gelben
Haare, die feucht an der Stirn klebten, die Bäckchen,
die ganz blau waren. „Mariele, wie kalt sind deine
Hände und Bäckchen!" sagte Gretli besorgt; „geh heim
zur Mutter an das Herdfeuer." Die Rleine lachte nur
hell und zupfte Gretli tüchtig am Ropftuch, schaute
auch neugierig über die Schulter auf das Aef. Gretli
war eine große Rinderfreundin; gerade die allerkleinsten,
hilflosesten hatte sie am liebsten. Schon als sie noch
ganz klein war und selbst mit ihren neun fahren kaum
mehr als ein Rind, gaben ihr die Triesnerberger
Mütter gern ihr Kleinstes zu verwahren; darin wußten
sie, daß es in bester Mbhut war. Denn die Mütter in
den Alpen haben nie viel Zeit, sich um die Rinder zu
bekümmern; die schwere Arbeit, die tagaus, tagein auf
den Feldern und in den Bergen verrichtet werden muß,
nimmt ihre ganze Rraft in Anspruch; die kleinen
Menschenkinder müssen schon sehen, wie sie gleich ihren
Geschwistern groß und gesund werden. Das Mariele
von Bauer Gberlin war Gretlis besonderer Liebling.
(Obwohl Gretli nun schon längst keine Rinder mehr
verwahrte, sondern nach dem grauenvollen Tode ihrer
Mutter still und zurückgezogen bei ihren Leuten lebte,
war sie den Rindern doch noch gut; und als vor einem