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Die Lucia sei eine L)exe, hieß die Anklage.
Die Lucia eine Hexe? Zum Lachen wäre es, wenn
es nicht gar so traurig gewesen wäre.
Vor fünf Jahren war sie als abgehärmtes, ehe-
verlaffenes Weib nach dem Triesnerberg gekommen,
ein achtjähriges Töchterchen an der Hand. 5ie bat von
Tür zu Tür uni Arbeit; überall vergebens. Als sie
gänzlich erschöpft au das Haus des Zakob 5töß kam,
erhielt sie dort Einlaß und Arbeit; denn des Bauern
Weib, die Anna, war schwer krank; niemand war da,
der sie pflegte und Haus und Hof in Grdnung hielt.
Der Bauer und sein 5>ohn Alovs, der sechzehnjährige,
waren froh, daß sie in Lucia eine Hilfe bekamen. 5ie
fragten nicht lang nach „Woher" und „Wohin"; das
bläffe, stille Weib tat seine Pflicht und schaffte bald
für zwei. Das Gretli aber mit den glänzendschwarzen
Haaren und dem zarten Gesichtchen, aus dem ein paar
große, blaue Ainderaugen treuherzig hervorleuchteten,
stahl sich bald in aller Kerzen. Der Bauer und die
Bäuerin, die unter Lucias Pflege bald genas, hatten
Freude an ihm, und Aloys, der große, etwas unge
lenke Bursche, betrachtete das niedliche, kleine Ding als
sein Schwesterchen und tat ihn: viel Liebes an.
Fünf lange Zähre hatte Lucia still ihre Arbeit ge
tan; von fortgehen war nie mehr die Rede gewesen.
Es war, als wenn die beiden fremden Einwanderer
immer dagewesen wären, als wenn sie immer zum