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gel als Baumaterial. Kühl und sachlich ist es
gebaut und entspricht der neuen Zeit. Durch
Jahrhunderte bewahrte das frühe Dorfbild
seine geruhsame Eigenart. Um die Kirche
als Mittelpunkt scharten sich eng die statt
lichen Häuser des Dorfkerns. Behäbige
Gasthäuser, romantische Torkel und male
rische Mühlen verliehen dem Dorfbild
Farbe und Abwechslung. Die Neuzeit durch
drang die bäuerlichen Siedlungen mit neuen
wirtschaftlichen und sozialen Elementen:
Werkstätten, Käsereien, Kaufläden, Wasser-
und Lichtversorgungsbauten, Schul- und Ge
meindehäusern. Diese mischten sich in das
alte Dorfbild und änderten seine Struktur.
Der Austritt Liechtensteins aus dem Reichs
verband im Jahre 1806 und die Übernahme
der völligen Souveränität wirkten sich indi
rekt auch auf die Gestaltung unseres Dorfes
aus. Zur Durchführung von Neuerungen im
Gefolge der Zeitverhältnisse bestellte der
Landesfürst Josef Schuppler als Landvogt.
In fürstlichem Auftrag suchte dieser der
Güterzerstückelung durch Zuteilung eines
bestimmten Maßes von Gemeindeboden an
die bestehenden Häuser zu steuern, empfahl
bessere Pflege des Obstbaues und führte eine
neue, schärfere Feuerordnung ein.
Die idyllische Verträumtheit des alten bäu
erlichen Dorfbildes, wie es uns der Meister
stift des Malers Ludwig Richter festhielt,
entschwindet. Dahin sinkt die Romantik
des abendlichen Plausches unter der Dorf
linde und des gemütlichen Tratsches der
Waschweiber am Dorfbrunnen, des Tanzes
der Jugend unterm Maibaum und so man
che schöne alte Dorfsitte. Die moderne
Zeit formt das gemischt bäuerlich-indu
strielle Dorfbild. Ein neuer Lebensstil er
greift auch vom Dorfe Besitz. Arbeiter
siedlungen und Villenquartiere, Fabrik
anlagen und Gewerbebetriebe durchsetzen
und umschließen den alten bäuerlichen
Dorf kern!
Trauern wir nicht allzusehr dem dahin
geschwundenen Zauber alter Dorfroman
tik nach, nein, blicken wir mutig in die
neue Zeit. Wir hoffen zuversichtlich, daß
auch im neuen, gemischten Dorftyp die
alten Ideale der Zusammengehörigkeit und
des Füreinandereinstehens fortleben, daß
nicht Neid und Mißgunst die Berufsstände
des Dorfes entzweien, sondern daß sich
Bauer und Arbeiter, Angestellter und Un
ternehmer brüderlich die Hände reichen und
so eine ersprießliche Fortentwicklung un
seres Dorfes und damit unseres Landes ge
währleisten.