Volltext: Das Fürstentum Liechtenstein im Wandel der Zeit und im Zeichen seiner Souveränität

dem Sinn, daß wir das flache Dach (wahr 
scheinlich die ältere Bauweise) wie sowohl 
den sehr steilen Giebel vorfinden. 
Wie schon eingangs erwähnt, haben in un 
serem Lande verschiedene Stile, ohne das 
einheitliche Dorfbild zu stören, nebeneinan 
der Platz gefunden. Neben der rheintali- 
schen Bauart zeugen noch heute große Stein 
bauten in Balzers und in Schaan vom bünd- 
nerischen Einfluß, welcher sich, wie wir mit 
Sicherheit annehmen können, im Oberland 
stärker bemerkbar machte als im Unterland. 
Ein Sonderfall bieten die Bauten der Walser 
auf Triesenberg. Während im allgemeinen 
das Liechtensteiner Haus die bauliche Ein 
heit von Wohn- und Landwirtschaftstrakt 
bevorzugte, ist letzterer auf Triesenberg 
vom Wohnhaus getrennt. Ursprünglich si 
cher Walliserhäuser mit ihren typischen ein 
zelnen kleinen Fenstern, machen sich bald 
Elemente aus der Bauweise vom Tal geltend, 
so vor allem die übernommenen Reihen 
fenster. 
Wenn wir sagen, die Bauweise prägt das 
Gesicht ihrer Zeit, so dürfen wir vor allem 
unsere alten Kapellen nicht vergessen. Mehr 
mit dem Herzen als mit dem Verstand ge 
baut, strahlen sie noch heute eine schlichte 
Frömmigkeit aus. 
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, wel 
cher mit der beginnenden Industrialisierung 
Mitte des 19. Jahrhunderts nach und nach 
einsetzte, wuchs das Bedürfnis nach Ver 
größerung der Siedlungen. 
Historisches Gut wurde leider abgerissen 
und dem Zeitgeist entsprechend mittelmäßig 
oder zum Teil durch Stilimitationen ersetzt. 
So ist das, was von den vorerwähnten Zer 
störungen übrig blieb, größtenteils diesem 
Unverständnis zum Opfer gefallen. 
Wenn wir unsere heutigen Dörfer betrach 
ten, können wir in der Verschiedenartigkeit 
ihrer Bauten kaum mehr Einheitliches fest 
stellen. Wohl sind wir in unserem Lande 
von den krassesten Auswüchsen aus der Zeit 
des wirtschaftlichen Aufschwunges mit ihren 
auf geklebten Renaissancefassaden und den 
Wohn- und öffentlichen Bauten im „Burgen 
stil“ verschont geblieben — auch der Jugend 
stil berührte uns kaum —, aber es begann 
die Zeit der sogenannten „neuen“, der „mo 
dernen Sachlichkeit“. 
Dies soll nicht heißen, daß nur nach einem 
Schema gebaut werden sollte, aber was un 
sere Vorfahren mit geringen Mitteln imstan 
de waren, sollte uns doch mit den heutigen 
Möglichkeiten nicht schwerfallen. 
Blicken wir zurück! Tradition ist nicht Aus 
druck der „Veraltung“! Sie ist vor allem, 
sofern wir Tradition und Würde nicht mit 
hohlem Pathos verwechseln, keine Unsach 
lichkeit, deren wir „moderne Menschen“ 
uns schämen müßten. Gibt es eine größere 
Sachlichkeit als sie zum Beispiel die mittel 
alterliche Baukunst oder die vollendete 
Sachlichkeit des alten Handwerks aufweist 
und trotz aller Sachlichkeit liebenswürdiger 
wäre? 
Sachlich heißt nicht „neuzeitlich“ und neu 
zeitlich nicht „modisch“ bauen, denn ich 
glaube kaum, daß wir, trotz der gewaltigen 
wirtschaftlichen Konjunktur in unserem 
Lande, in der Lage sein werden, in ein paar 
Jahren ein Haus zu ersetzen, so wie wir ein 
Kleid ersetzen, wenn es nicht mehr der 
Mode entspricht. Der Hang für das Neueste
	        

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