Der Liechtensteiner liebte aber seine Scholle
von jeher, trotz der drohenden Naturgewal
ten. Immer hat er den kargen Boden bear
beitet und ihm das Brot für die Seinen
abgerungen.
Wenn auch der Mensch in unserem Lande
stets im Kampfe mit den Naturgewalten
stand, so waren sie es doch wieder, die diesen
Flecken Heimat bilden halfen. Der Rhein
gestaltete die Ebene, schüttete die Böden auf,
die heute reiche Frucht tragen. Die mäch
tigen Schuttkegel der Rüfen sind zu Heim
stätten der Menschen geworden; auf ihnen
reift die Traube, die mit ihrem Feuer erfreut.
Der oft südlich blaue Himmel, die heißen
Wellen des Föhns, die steilen Flanken der
Berge, die Ebene am Rhein, sie alle halfen,
ein eigenwilliges, arbeitsames Völklein her
anbilden, das bis heute seiner Scholle treu
geblieben ist.
Die prähistorischen Funde unserer Gegend
geben Zeugnis von längst entschwundenen
Zeiten: von den ersten Bauern im Rheintal,
von Menschen, die von der Scholle und für
die Scholle lebten. Wie karg werden ihre
Äckerlein gewesen sein, wie bescheiden ihre
Geräte! Und doch wird auch jener Bauer
einer längst entschwundenen Zeit ruhigen
Schrittes über seine Scholle gegangen sein
und das Korn der Furche anvertraut haben.
Auch er hat den Segen seiner Götter für die
keimende Saat erfleht.
Viele Geschlechter sind bis zu jener Zeit
dahingegangen, da die Römer die Herren
unserer Gegend wurden. Sie brachten den
Berglern Rätiens den Fortschritt, sie bauten
neue Ackerfrüchte an, sie führten einen
Schritt weiter in der Bodenbewirtschaftung.
Weiter schritt die Zeit. Geschlechter kamen
und gingen, die Scholle blieb. Was kam und
ging, war der Mensch, waren Art und Weise
der Nutzung des Bodens. Unsere Vorfahren
haben den Flurzwang durchbrochen, ließen
die Dreifelderwirtschaft fallen und steiger
ten den Ertrag. Dieser Fortschritt bedeutete
den Beginn eines neuen Zeitalters, hieß ge
nug Brot. Es war, als ob die Scholle zu
neuem Leben erwacht sei, als ob sie plötz
lich dreifache Frucht geben wollte, Frucht
für alle die vielen Menschen, die kommen
sollten.
Die Scholle blieb, sie hat sich aber besonders
im Laufe der letzten Jahrzehnte gewandelt.
Wie einsam muteten noch vor kurzer Zeit
die weiten Riedflächen an, wie verträumt
lagen die Auenwälder in die Landschaft ein
gestreut.
Doch dann begann das große Schaffen. Viel
Boden, guter Ackerboden, fiel der Über
bauung anheim. Die Heimstätten der Men
schen dehnten sich aus; es mußte für mehr
Brot gesorgt werden, trotz des Rückganges
an Boden. Weitsichtige Männer haben er
kannt, daß nicht nur der Hang, der sichere
Boden vor dem Rhein, Scholle bedeutete,
nein, daß der Reichtum in der Ebene lag.
Der Rhein wurde bezwungen, ein Entwäs
serungsnetz in der Ebene angelegt. Ried um
Ried verschwand, aus Auenwald wurde
fruchtbares Ackerland. Die Scholle wuchs,
das Land wuchs: es war bereit, mehr Men
schen zu ernähren. Große Ernten lohnen
heute die schweren Mühen.
Nun liegt er vor uns, der Boden der Rhein
ebene, in satter Fülle, derjenige des Berg
hanges und der Alpen in ungebrochener