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WIR UND DER FREMDE
Eugen Gstöhl (I) und Paul Gebhard Banzer (II)
I.
Trotz der gelegentlichen Zeitungs-, Radio-
und Fernsehreportagen über Liechtenstein
hat der Ausländer, der keinen persönlichen
Kontakt mit unserer Heimat hat, meist eine
recht unklare Vorstellung über die Verhält
nisse in unserem Lande.
Wird im Ausland der Name Liechtenstein
genannt, so kann man die verschiedenartig
sten Antworten erhalten auf die Frage: Was
ist Liechtenstein und was bietet es dem Aus
länder. Einige Beispiele hievon:
Liechtenstein ... ein Märchenland im Her
zen Europas... ein kleines Land im Dorn
röschenschlaf ... das Land ohne Steuern ...
das Land der schönen Briefmarken, mit wel
chen das Staatsbudget finanziert wird!
Ein kleines Land also, das dem Ausländer
viele Möglichkeiten bietet und verschiedene
materielle Anziehungspunkte hat.
Dieses Bild entspricht jedoch keineswegs der
Wirklichkeit, und der Ausländer, der nähe
ren Kontakt mit Land und Volk von Liech
tenstein hat, weiß, daß unser Land wohl im
Herzen Europas liegt, daß hier jedoch ein
rühriges Völklein arbeitet und um seine
Existenz- und Daseinsberechtigung kämpft;
daß das kleine Land nicht mit einem schla
fenden Dornröschen zu vergleichen ist, da
von zeugen die vielen liechtensteinischen
Unternehmen des Handels, der Industrie
und des Gewerbes, die auf ihrem Gebiet
Hervorragendes leisten und dem Namen
Liechtenstein in der ganzen Welt Ehre ma
chen; daß Liechtenstein nicht das Land ohne
Steuern ist, denn auch der Liechtensteiner
und der hier domizilierte Ausländer müssen
Landes- und Gemeindesteuern bezahlen;
daß Liechtenstein gewiß schöne Briefmarken
herausgibt, daß jedoch die Einnahmen aus
ihrem Verkauf nur einen kleinen Prozent
satz in seinem Budget ausmachen.
Bevor wir nun einen Blick auf die vergan
genen 150 Jahre werfen, können wir ganz
allgemein feststellen, daß der Liechtenstei
ner dem zuziehenden Ausländer große Sym
pathie und Hilfsbereitschaft entgegenbringt
und ihn rasch in die heimatliche Gemein