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DIE GESCHICHTLICHE LANDSCHAFT
SZENERIE UND SPIELER - SPUREN UND ZEUGEN
Reallehrer Arthur Jehle
Die Völker gehen und kommen,
wenn ihr Stichwort fällt;
denn sie spielen auf Zeit
in einem großen Schauspiel mit,
dessen Sinn und Inhalt
ihnen nur erklärbar wird
durch die Leiden,
die ihnen auf erlegt werden.
Sie kommen
und finden den Spielplatz gerüstet,
sie gehen
und hinterlassen ihr Spielgerät.
Josef Nadler
i. Landschaftselemente und Siedlungs
raum
„Liechtenstein, das Tal des Friedens“, dieses
beliebte Schlagwort romantisierenderFerien-
stimmung gibt dem Ortsfremden, wenig
stens landschaftlich gesehen, ein falsches Bild
vom Gesicht unserer Heimat; denn unter
Tal versteht man gewöhnlich ein von Ge
birgszügen eingeschlossenes Gebiet — wie
etwa das Malbuntal — und diese Vorstellung
trifft auf unser Land nicht zu. Liechtensteins
Siedlungsraum liegt wohl im Tale, aber die
ses Tal ist nicht abgeschlossen, sondern offen
nach Westen und Norden; auch der Bewoh
ner ist — wie die Landschaft — in seinem
Wesen nicht verschlossen, sondern aufge
schlossen. Wie das liechtensteinische Rheintal
ein Teil des Bodensee-Rheintales ist, so ist
und war die liechtensteinische Bevölkerung
auch immer ein Glied der großen Familie
der Alpenbewohner, allerdings wie sein
Land in eigengesetzlicher Entwicklung ge
wachsen auf dem Boden seiner Heimat.
Drei Elemente bestimmen das Gesicht der
Landschaft: der Rhein, das Hochgebirge und
die aus der Rheintalebene sich gleich Inseln
erhebenden Hügelberge Gutenberg und Esch-
nerberg.
Der junge Rhein, schicksalhaft verbunden
mit unserem Siedlungsraum und noch vor
wenigen Jahrzehnten ungebändigt, fiel,
einem Raubtier gleich, immer wieder in die