Volltext: Der Staatsvertrag in Liechtenstein und seine vorläufige Anwendung

Früher ging man davon aus, dass jeder Vertrag ratifiziert werden musste. Diese 
Ratifikation konnte für viele Autoren auch implizit oder stillschweigend erfolgen. Ein 
Vertrag, der vorláufig angewendet wurde, ist durch die tatsáchliche Anwendung 
somit stillschweigend ratifiziert worden. Somit wies der vorláufig angewendete 
Vertrag dadurch die gleichen Merkmale, auf wie ein fórmlich ratifizierter und hatte 
somit die gleiche bindende Wirkung. Heute ist man sich einig, dass die Ratifikation 
einen fórmlichen Akt voraussetzt und nicht stillschweigend erfolgen kann. Daher ist 
diese Theorie nicht zutreffend. ?96 
Eine andere Theorie besagte, dass der vorläufigen Anwendung keinerlei 
Bindungswirkung zukommt. Der Vertrag kann also während der Zeit der vorläufigen 
Anwendung bis zur Ratifikation keine rechtliche Wirkung entfalten, da ein Vertrag in 
jedem Fall erst mit Ratifikation Bindungswirkung erlangt. Es ist selbsterklärend, dass 
damit die Konstruktion der vorläufigen Anwendung überflüssig werden würde, wenn 
dieser keinerlei Wirkung zukommen würde. Ein Zustand ohne die vorläufige 
Anwendung ist also davon nicht zu unterscheiden. Heute steht ausser Frage, dass 
es auch völkerrechtliche Verträge gibt, die keiner Ratifikation bedürfen aber trotzdem 
durch Unterzeichnung die volle Rechtswirkung entfalten (siehe zB. 
Verwaltungsvereinbarungen weiter oben).?9" 
Wiederum andere vertraten die Ansicht, dass der vorläufigen Anwendung 
grundsätzlich keine Bindungswirkung zukommt, diese aber nach einer allfälligen 
Ratifikation ex tunc eintreten wird. Eine Bindungswirkung konnte also nur 
rückwirkend durch Ratifikation erfolgen. Da ein Staat aber nicht verpflichtet ist, einen 
Vertrag zu ratifizieren, ist auch dieser Ansatz sehr unbefriedigend. Die Parteien 
wären in der Zeit der vorläufigen Anwendung ständig der Gefahr ausgesetzt, dass 
der Vertrag möglicherweise nicht ratifiziert werden wird und damit jegliche 
Rechtsgrundlage für die vorgenommenen . Rechtshandlungen in diesem 
Zusammenhang fehlen würde. *$8 
Eine modernere Theorie bemisst der vorläufigen Anwendung grundsätzlich immer 
Bindungswirkung zu. Die Vereinbarung, den Vertrag vorläufig anzuwenden, hätte 
somit die gleichen rechtlichen Konsequenzen, wie das Inkrafttreten. Diese 
  
368 ygl. Krenzler, vorl. Anwendung, 1963, S. 52ff. 
367 ygl. Montag, vorl. Anwendung, 1986, S. 41ff. 
39$ Ebenda, S. 42ff. 
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