2 Die Anwendbarkeit des Völkerrechts in Liechtenstein
2.1 Völkerrecht und staatliches Recht (Einführung)
Im ersten Teil dieser Arbeit wird das Verhältnis zwischen Völkerrecht und
Landesrecht näher beleuchtet. Zuerst wird kurz auf die Vólkerrechtsquellen
eingegangen und darauf, wie diese im Verhältnis zur Landesrechtsordnung stehen.
Es soll geklärt werden, wie das Völkervertragsrecht in die liechtensteinische
Landesrechtsordnung eingeführt wird, wie es angewendet wird (direkte Ge/tung) und
welchen Rang es in der Landesrechtsordnung einnimmt. Abschliessend soll
dargestellt werden, wie die vôlkerrechtlichen Normen in Liechtenstein überprüft und
ausgelegt werden. Es ist jedoch klar darauf hinzuweisen, dass dem Thema der
Anwendbarkeit des Völkerrechts hier keine Vollständigkeit geschuldet ist. Nach einer
kurzen Einführung wird also der Schwerpunkt ausschliesslich auf die Eingliederung
der völkerrechtlichen Normen in die liechtensteinische Landesrechtsordnung gelegt.
Besonders auf die detaillierte Behandlung des Theorienstreits' von Dualismus und
Monismus ?
zum Verhältnis von Völkerrecht und Landesrecht, sowie den
verschiedenen theoretischen Anwendungssystemen wie Adoptionssystem /
Inkorporationssystem und Transformationssystem? zur Übernahme des Vólkerrechts
ins Landesrecht wird hier aus Gründen der Prágnanz verzichtet. Das Kapitel soll
lediglich als Einführung in die Thematik und dem besseren Verständnis des
Folgenden dienen. Und somit hóchstens den Randbereich des wichtigen und
komplexen Themas der Einordnung der vólkerrechtlichen Normen ins innerstaatliche
Verfassungssystems behandeln.
Zu diesem Problem bestehen viele verschiedene divergierende Lehrmeinungen. Zum Verháltnis zwischen
Vólkerrecht und Landesrecht in Liechtenstein wird diese Diskussion sehr kontrovers geführt. Siehe dazu:
Günther Winkler, Die Prüfung von Staatsvertrágen durch den Staatsgerichtshof (Il, Antworten auf Fragen des
Landtagsabgeordneten Dr. Sprenger betreffend die Zustándigkeit des Staatsgerichtshofs zur Prüfung von
Staatsvertrágen) in News&Jus, 2/2004, S. 184ff, der die Diskussion praktisch losgelóst von den dogmatischen
Begriffen Dualismus und Monismus führt und so der neueren Ausformung von Kelsen folgt. Dagegen aber
Daniel Thürer, Liechtenstein und die Vólkerrechtsordnung. Ein Kleinstaat im vólkerrechtlichen Spannungsfeld
zwischen Singularitàt und Modell rechtlicher Integration, P. Kunig / W. Rudolf / D. Thürer (Hrsg.), Archiv des
Vólkerrechts, Band 36 Heft 2 1998, S. 109ff, der davon ausgeht, dass sich nach ungeschriebenem
Verfassungsrecht Liechtenstein zum Adoptions- oder Inkorporationssystem bekennt und so dem monistischen
Modell folgt. Siehe dazu auch im Anhang | die detaillierte und aktuelle Liste Fundstellen: Völkerrecht in der
Landesrechtsordnung - Monismus in der liechtensteinischen Literatur, Vaduz 2017. Aufgrund der am
häufigsten vertretenen Meinung, dass Liechtenstein das Adoptionssystem anerkennt und somit die
völkerrechtlichen Normen ohne Transformationsakt in die liechtensteinische Rechtsordnung einführt, könnte
möglicherweise darauf geschlossen werden, dass die dogmatische Einordnung in ein monistisches System
noch ihre Berechtigung hat zumal auch die Höchstgerichte (StGH 2013/196) in Liechtenstein sich dieser
Meinung anschliessen (siehe Liste). Vergleichend dazu die Situation in der Schweiz, Österreich und
Deutschland siehe dazu Liste Fundstellen im Anhang |.
Vgl. dazu Alfred Verdross / Bruno Simma, Universelles Völkerrecht, Theorie und Praxis, 3. Aufl., Berlin 1984,
S. 53ff.
Vgl. dazu Verdross/Simma, Universelles Vólkerrecht, 1984, S. 550ff.
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