geführt werden. Dies vor allem mit Blick auf eine vorläufige Anwendung ohne
vorherige Zustimmung des Landtags, wie ein Beispiel oben gerade gezeigt hat.
Wie schon aufgezeigt wurde, kann die Notwendigkeit einer vorläufigen Anwendung
aber die verschiedensten Facetten aufweisen, die ihren Ursprung weder in der
liechtensteinischen Praxis noch in der innerstaatlichen Rechtsordnung haben. Denn
es können die unterschiedlichsten Gründe für eine vorläufige Anwendung eines
Staatsvertrages sprechen. Darum lässt sich hier kein eindeutiges Bild erstellen,
welches die häufigsten Gründe sind, warum ein Staatsvertrag in Liechtenstein
vorläufig angewendet wird.
5.2 Die vorläufige Anwendung und die Liechtensteinische Verfassung
Wie schon oben ausgeführt, soll dieses Kapitel Aufschluss darüber geben, wo die
angesprochenen Problembereiche in der Beziehung zwischen der
Liechtensteinischen Verfassung und der vorläufigen Anwendung von Staatsverträgen
liegen. Vornehmlich geht es dabei um den Anwendungsfall, bei dem die vorläufige
Anwendung eines Staatsvertrages vor der Zustimmung des Landtags durchgeführt
wird. Denn eine vorläufige Anwendung von genehmigungspflichtigen Staatsverträgen
vor der Zustimmung des Landtags ist verfassungsrechtlich bedenklich. Um ein
einheitliches Bild zu schaffen, das zur Abhandlung dieser und anderer
verfassungsrechtlichen Themen im Umgang mit der vorläufigen Anwendung
notwendig erscheint, werden zuerst kurz die Rechtsgrundlagen besprochen, die bei
der vorläufigen Anwendung eines Staatsvertrages betroffen sein können.
5.2.1 Massgebende Rechtsgrundlagen zur vorläufigen Anwendung
Die Mitwirkungspflichten und Kompetenzbereiche beim Abschluss von
Staatsverträgen wurden in dieser Arbeit schon mehrfach behandelt. Wie dort
dargestellt wurde, bedürfen die meisten Staatsverträge der Zustimmung des
Landtags, aber auch des Landesfürsten unter Mitwirkung der Regierung. Mitunter
muss auch das Volk in diesen Prozess eingebunden werden, um eine verfassungs-
oder gesetzeskonforme vorläufige Anwendung eines Staatsvertrages gewährleisten
zu können. Die Liechtensteinische Verfassung weist somit allen Staatsorganen
entsprechende Kompetenzen auf diesem Gebiet zu. Diese Kompetenzbereiche
stehen bei den folgenden Ausführungen im Mittelpunkt.
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