6. Begriffswandel: Vom Armenhaus zum Bürgerheim
Bereits in der Hausordnung wurde deutlich, dass die Armenhausinsass innen von den
restlichen Einwohner innen getrennt zu halten waren. Beim Kirchgang hatten sie sich nicht
länger als notwendig im öffentlichen Raum aufzuhalten und Wirtshausbesuche, ein
Paradebeispiel sozialer Interaktion, waren ihnen sowieso gänzlich verwehrt. Die
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entwirdigende, oft diskriminierende, stets abwertende Insassencharakterisierung
laut David Buchel, Alt-Landesphysikus, durch die Umwandlung der Armenhäuser in
Bürgerheime „etwas gemildert.“° Dennoch wurde damit die „Urangst der Gemeinden, für
asoziale, närrische, debile, lebensuntüchtige, alkoholsüchtige Bürger Geld auslegen zu
müssen“, nicht überwunden, lediglich „eine leicht verständigere Beurteilung in der
Bevölkerung war abzulesen.“
Der Wandel des urspriinglich als Lokalarmen- und Krankenanstalt gefithrten Armenhaus®*
zum Biirgerheim fand schleppend statt. Dies wird auch in den Gemeinderatsprotokollen
deutlich. Die erste Erwähnung als Bürgerheim findet sich im Jahr 1933.°% Die hier
beschriebene Anstalt wird in den Gemeinderatsprotokollen jedoch noch bis 1955 als
Armenhaus bezeichnet.”®° Die Bezeichnungen Armenhaus und Bürgerheim werden im Grunde
als Synonyme geführt. Nach 1955 wird allerdings nur noch der Begriff Bürgerheim verwendet.
Ab 1978 schwindet auch der Begriff des Bürgerheims, welches von nun an zum Wohnheim
Resch wird, hierbei ändert sich, wie wir bereits sehen konnten, nicht nur der Name, sondern
auch das Nutzungskonzept. Damit es zu keinerlei Verwirrung kommt, wurde zu Beginn die
Begrifflichkeit „Bürgerheim“ hinter das „Wohnheim Resch“ in Klammern gesetzt. )*
Zur Verbesserung des Ansehens der Armenhäuser im Zuge der Wandlung zum Bürgerheim,
verhalf sicherlich auch die Einrichtung von Gebärstationen in den Armenhäusern respektive
Bürgerheimen in Vaduz, Eschen und Triesen, wie Büchel zu Recht hervorhebt. Denn damit
waren die Bürgerheime „nun plötzlich auch für ‚normale Menschen‘ eine kurze, aber
willkommene Aufenthaltsstätte.‘“ 3 Dadurch wurde diese Institution „aus ihrer Abseitssituation
51 Büchel, Da gab’s noch kein Fürsorgeamt, 72.
52 Büchel, Da gab’s noch kein Fürsorgeamt, 72.
383 Büchel, Da gab’s noch kein Fürsorgeamt, 72-73.
3% LILA RE 1866/158: Armen & Krankenhaus Errichtung. Schreiben der Gemeinde Schaan an die hochlöbliche
fürst. Regierung vom 18. Febr. 1866.
55 GAS Gemeinderatsprotokoll 12. Februar 1933: Léhne fiir Insassen im Biirgerheim.
56 GAS Gemeinderatsprotokoll 10. September 1955: Armenhaus — Umbau.
57 GAS Gemeinderatsprotokoll 9. Mrz 1978: Wohnheim Resch (Biirgerheim) - Beschlussfassung über weiteres
Vorgehen und Kreditbewilligung.
3% Biichel, Da gab’s noch kein Fiirsorgeamt, 72-73.
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