Die Gemeinde versorgte ihre bedürftigen Bürger innen, für welche sie Verantwortung
übernehmen musste, mit diversen Zuwendungen: diese reichten von der Unterstützung zum
Kauf von Schuhen oder Kleidung über die Gabe von Darlehen zum Kauf von Ziegen, der
Übernahme von anfallenden Arztkosten bis hin zur kostenlosen Abgabe von Christbäumen an
mittellose Bürger_innen. Dabei galt es stets auf einen Beitrag des/der zu Unterstützenden zu
bestehen und hier im Sinne einer Anhaltung zu einem arbeitsamen Leben, welches als
gesellschaftliche Pflicht gesehen wurde, erzieherisch zu wirken. Entsprach der Lebenswandel
nicht den Vorstellungen der Gemeinde, wurden Unterstützungen verwehrt. Zudem spiegelte
sich die gesellschaftliche Stellung eines Armengenössigen darin, dass dieser nicht
wahlberechtigt war. Diverse Unterstiitzungsansuchen wurden aufgrund befürchteter
Folgeanträge abgelehnt. Dennoch wurden manche Anträge, die den abgelehnten in Form und
Inhalt nahestanden, genehmigt. In der Vergabe von Unterstützungsleistungen durch die
Gemeinde ist dementsprechend eine gewisse Willkür zu verorten. Mit dem 1965 durch das
Sozialfürsorgegesetz geschaffenen Fürsorgeamt, trat Liechtenstein in eine neue Ära der
Fürsorge ein. Nicht nur die Neustrukturierung der Fürsorge ist nun ein zentrales Thema,
vielmehr ist auch die im Gesetz verankerte Geisteshaltung gegenüber den Hilfsbedürftigen eine
neue. Von der Verteilung von Almosen ging man über zu einem Rechtsanspruch auf
Unterstützung einer würdigen Existenzform.
In diesem Sinne entwickelte sich Mitte des 19. Jahrhunderts ein Konzept der Sozialpolitik,
welches für das kommende Jahrhundert die Grundlage der Fürsorge bilden sollte. Die
Belassung der Armenfürsorge bei den Gemeinden war ein Aspekt davon und einer der Gründe,
warum es nicht zur Errichtung einer landesweiten Armenanstalt (die zeitweise angedacht war)
kam. Stattdessen konzentrierte man sich auf Ortsarmenhäuser, welche als das passendste Mittel
zur Linderung der Armut gesehen wurden. Dem lag unter anderem die Auffassung zu Grunde,
dass die Bedürftigen nicht freiwillig ihre Gemeinde verlassen würden. Die Notwendigkeit und
der Mangel einer solchen Anstalt brachte die Gemeinde Schaan dazu, eine solche auf eigenes
Betreiben, für ihre eigenen Gemeindebürger_ innen zu errichten.
Mit der Armenanstalt verschwand das unwirdige Element der , Vergantung™ aus der
Armenfürsorge, wodurch die Versorgung Bedürftiger auf einen Ort konzentriert wurde. Mit
dem Aufkommen der Armenanstalt verschwand für die Bevölkerung die stetige Konfrontation
mit der offensichtlichen Armut. Von seiner Gründung im Jahre 1870 an, wurde das Armenhaus
zur Hauptanlaufstelle für Bedürftige und somit zu einem Sammelbecken für diverse
Randgruppen aus Schaan bzw. aus anderen liechtensteinischen Gemeinden. Errichtet als
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