IDPA Gesellschaftsspaltung durch Neutralität
Vorwort
„Liechtensteiner, ein schrecklicher Krieg ist ausgebrochen, und es besteht die Gefahr,
dass sich der Brand über ganz Europa, ja darüber hinaus ausdehnt.“ - Regierungschef
Dr. Joseph Hoop in einer Ansprache über Radio Liechtenstein am 2. September 1939
(Geiger, Kriegszeit Bd. 1, 2010, S. 73)
Jedem ist bekannt, welch verheerende Auswirkungen der Zweite Weltkrieg auf die Betroffenen
hatte. Stalingrad, die systematische Bombardierung deutscher Stádte und der Holocaust
prägen bis heute das Bewusstsein der Menschen. Diese Ereignisse stehen stellvertretend für
die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland, welche Europa für knapp 12
Jahre überschattete. Dabei wird jedoch vielfach vergessen, dass es in dieser Zeit auch Nationen
gab, die weder für noch gegen das Dritte Reich in den Krieg zogen. Diese Staaten kämpften für
ihre Sicherheit und Unabhängigkeit. Die Rede ist hier von Ländern, die sich während des
Krieges als neutral erklärt haben. Das Fürstentum Liechtenstein war eines dieser Länder.
Eingebettet zwischen den Achsenmächten Deutschland und Italien, bildete es gemeinsam mit
der Schweiz eine neutrale Insel in den Alpen. Liechtenstein versuchte sich nach aussen durch
diplomatische Beziehungen den Schutz der Grenzen und der Bevölkerung zu sichern, während
im Innern die bestehende Regierungsform gewahrt wurde und jegliche Anschlussversuche an
das Dritte Reich im Keim erstickt wurden.
Mit dieser Arbeit möchte ich aufdecken, welche Massnahmen die liechtensteinische Regierung
damals für die Wahrung des Friedens traf und ob die Bevölkerung diesen Zielen folgte oder
dadurch eher gespalten wurde. Es ist nämlich bekannt, dass es auch hierzulande NS-
Sympathisanten gab, die zum einen den Anschluss Liechtensteins an das Deutsche Reich
forderte und zum anderen mit verschiedenen Mitteln gegen die jüdischen Bewohner hetzten.
Als dann ab 1943 die Überflüge von US-amerikanischen Bomberverbänden fast schon zur
Gewohnheit wurden, stand das Fürstentum vor einer weiteren Herausforderung. Es musste
ohne jegliche militärische Ressourcen seine Bevölkerung vor drohenden Luftangriffen oder
Invasionen schützen. All diese Ereignisse veranlassten mich dazu, mich bei meiner Facharbeit,
der IDPA, mit dieser Thematik zu befassen. Das Hauptaugenmerk blieb dabei aber stets auf
den Zusammenhalt der Gesellschaft im Fürstentum gerichtet. Es gilt aufzuzeigen, in welchen
Bereichen der Politik und der Bevölkerung die Neutralität eingehalten wurde und wo die
Meinungen im Volk auseinander gingen. Die behandelten Aspekte beziehen sich dabei auf die
beiden Bände von Peter Geigers Werk Kriegszeit. Das Fachwissen wird anschliessend durch die
Aussagen von Zeitzeugen ergänzt, welche ich in persönlichen Gesprächen zusammengetragen
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