IDPA Gesellschaftsspaltung durch Neutralität
4. Fazit
„[...] Das bewirkte im Volk eine sehr starke Spaltung, die überall im Land zu spüren
war.“ - Walter Wachter, Zeitzeuge im Interview mit M.W.
Dieses Zitat von Walter Wachter bestätigt eindeutig die These, dass sich zur Zeit von Krieg und
Nationalsozialismus eine Spaltung im liechtensteinischen Volk abzeichnete. Die Hauptursache
ist dabei auf den Status der Neutralität zurückzuführen, wobei mehrere Faktoren zu diesen
Anspannungen führten.
Liechtensteins Regierung veranlasste schon vor der offiziellen Neutralitätserklärung im Jahr
1939 Massnahmen, welche die Unabhängigkeit des Landes bewahren sollten. Durch die
Festnahme der Putschisten und der Änderung des Wahlsystems im Landtag, wurde dem
Nationalsozialismus schon frühzeitig Einhalt geboten. Mit dem Kriegsausbruch in Europa,
begannen sich jedoch die Herausforderungen für die Politik anzuhäufen. Aufgrund des
fehlenden Militärs, versuchte Liechtenstein den Schutz durch die Schweiz zu erlangen, was
jedoch nicht genehmigt wurde. Die Regierung war dazu gezwungen, einen passiven Luft- und
Bevölkerungsschutz auszuarbeiten. Gleichzeitig begannen auch die NS - Aktivisten im Land mit
einem nationalsozialistisch motivierten Kampfblatt wieder auf sich aufmerksam zu machen.
Die Veröffentlichung dieser Zeitschrift wurde drei Jahre später strengstens verboten. Als dann
bei Kriegsende hunderte von zivilen und militärischen Flüchtlingen über die Grenze kamen,
wurden diese korrekt aufgenommen und menschlich behandelt, bis das weitere Vorgehen
geklärt war. Die Regierung hielt sich also durchgehend an die Neutralität.
Die Bevölkerung hingegen, war aufgrund dieser Tatsache in zwei Teile gespalten. Während der
Grossteil der Einwohner die Entschlüsse der Regierung befürworteten und hinter Fürst und
Vaterland standen, versuchten die Nationalsozialisten, insbesondere die Drahtzieher der VDBL,
mit allen Mittel einen Anschluss an das Dritte Reich und die Durchsetzung der
nationalsozialistischen Ideologie herbeizuführen. Das führte dazu, dass sich die Patrioten und
Sympathisanten gegenseitig diskriminierten, wobei es Öfters zu Drohungen und
Auseinandersetzungen kam. Dieser Unterschied machte sich auch bemerkbar, als die
Sicherheit des Landes bedroht wurde. Die allgemeine Bevölkerung bevorzugte einen passiven
Schutz in Form von Evakuierungsplänen im Ernstfall, während zahlreiche Sympathisanten aus
eigener Überzeugung aktiv handelten und freiwillig ihren Kriegsdienst bei der Wehrmacht
leisteten, was vielen von ihnen das Leben kostete. Nur bei einer Sache vertraten alle
Liechtensteiner dieselbe Meinung: Die im Land internierten russischen Soldaten, die bei
Kriegsende kamen, mussten gerecht behandelt werden, da diese in gewisser Massen von
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