Liebig hat Aspekte der Geschlechterungleichheit in wirtschaftlichen und politischen Füh-
rungsgremien in der Schweiz genauer betrachtet. Der Zugang zu Legislative ist laut ihren
Forschungsergebnissen leichter als zu Wirtschaftselite oder Regierungsmandaten. Im
Vergleich zur durchschnittlichen Schweizer Bevölkerung verfügen die Mitglieder der Legis-
lative über mehr Ressourcen ökonomischer, kultureller und sozialer Art. Sie „wuchsen
mehrheitlich in Familien auf, in denen politisches Denken und Handeln zum Alltag gehörte“
(Liebig 1997: 140). Häufig verfügen die Parlamentarierinnen dank ihrer Herkunftsfamilien
über ein umfangreiches fachliches Wissen und über soziale Kontakte zur wirtschaftlichen
und politischen Welt.
Reichart-Dreyer hat in ihrem Beitrag die Situation der Frauen in den Parteien der BRD
nachgezeichnet. Dies tut sie anhand sekundäranalytischer Rückgriffe auf aktuelle wissen-
schaftliche, (auto-) biografische und journalistische Arbeiten. Erfolg in der politischen Are-
na resultiert laut Reichart-Dreyer aus einem „Zusammenspiel von Opportunitäten, Prädis-
positionen, Einstellungen, Erwartungen und günstigen situativen Konstellationen“ (Reich-
art-Dreyer 2007: 182). Heute politisch aktive Frauen haben eine fundierte Berufsausbil-
dung oder einen Universitätsabschluss. Sie haben sich dieses Feld bewusst ausgesucht,
um etwas zu bewegen und um Macht und Einfluss zu bekommen, etwas durchzusetzen
(Meyer 2000: 200). Motivation für ein politisches Engagement ist das Mindern von Leiden
und der Kampf um Geschlechtergerechtigkeit und menschlicher Freiheit. Die Vision einer
menschlichen Gesellschaft hilft ihnen, viele Frustrationen zu überwinden. Nach Einschät-
zung von Spitzenpolitikerinnen ist man erfolgreich, wenn man authentisch bleibt, in sich
ruht und nicht versucht eine Rolle zu spielen. Die Gefahr in Geschlechterstereotypen ge-
drängt zu werden, ist gross. Für eine erfolgreiche Einflussnahme ist dies besonders ab-
träglich. Das Selbstvertrauen, dass durch diese Rollenbilder und die Erziehung geprägt
wurde, ist laut Reichart-Dreyer die wichtigste Voraussetzung für Erfolg in der Politik
(Reichart-Dreyer 2007: 180). Die Politik eröffnet den Frauen zahlreiche Möglichkeiten. Sie
werden Öffentlich sichtbar und haben die Möglichkeit zur persönlichen Selbstbehauptung
und Selbstaufwertung. Es ist ein legitimer Ort der öffentlichen Selbstrepräsentation und
des Wettstreits. Junge deutsche Parlamentarierinnen beschreiben sich als mutig, einsatz-
bereit, ehrgeizig und belastbar. Sie stellen sich als klar, dynamisch, arbeitsorientiert, ent-
schlussfreudig und durchsetzungsfähig dar. Diese Begriffe werden traditionellerweise eher
dem männlichen Arbeitsvermögen zugeordnet (Meyer 2000: 201). Die politische Karriere
wird nach wie vor an der männlichen Normalbiografie orientiert. Erwartet wird endloses