sen hat, wir haben das Frauenstimmrecht und ich bin auch gerne (wählen) ge-
gangen. Um auch der Meinung die man selber hat, Ausdruck zu geben“ (Inter-
view Z: 36-49).
Bereits während dem langen Kampf der Frauen um politisches Gehör wurden die hier er-
wähnten gewachsenen Strukturen häufig als Entschuldigung für die politische Nichtin-
tegration der Frauen bemüht. Ein Argument dem nur wenig entgegen gehalten werden
konnte. Sie spricht hier zwar in einer unpersönlichen Form, doch wenn man sich die Be-
mühungen beispielsweise der Gruppe Dornröschen oder auch anderer Frauen vor Augen
führt, die sich über Jahrzehnte eingesetzt haben, kann man nicht ernsthaft von einer all-
gemeinen Untätigkeit sprechen. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass sie hier von ih-
rem eigenen Nichtengagement spricht, das im Nachhinein möglicherweise als Makel be-
trachtet werden kann. Das Akzeptieren von gewachsenen Strukturen kann als eine gewis-
se Schicksalsergebenheit gedeutet werden. Die äusseren Zwänge lassen sie nicht resig-
nieren. Es gelingt ihr mit diesen Rahmenbedingungen ohne Groll umzugehen und ist bei
der Einführung des Frauenstimmrechts sogar stolz über die veränderten institutionellen
Bedingungen. Weshalb gehörte sie nicht zu den Frauen, die sich mit aller Energie für das
Frauenstimmrecht eingesetzt haben? Ein Grund kann man in der ausgeprägten Verwurze-
lung in ihrer Heimatgemeinde ausmachen, in diesem Umfeld wurde sie politisch soziali-
siert. Die Rollenverteilung in dieser agrarisch geprägten Gesellschaft wurde nicht hinter-
fragt. Sie erinnert teilweise an Emile Durkheims Beitrag über die Teilung der sozialen Ar-
beit, in dem er den Frauen in den zivilisierten Vólkern die Gemütsfunktion zuspricht, wáh-
rend die Männer ,die Verstandesfunktion an sich gerissen [haben]" (Durkheim 1893: 100)
und sich deshalb vorrangig den óffentlichen Gescháften zuwenden. Hinter dieser klaren
Arbeitsteilung vermutet Durkheim ein Bedürfnis ,nach Ordnung, Harmonie und sozialer
Solidarität“ (Durkheim 1893: 104), dieses lasst sich auch im Liechtenstein der 50er Jahre
vermuten.
Nach dem Gymnasium hat sie das Sekundarlehrerpatent im naturwissenschaftlichen Be-
reich mit Physik im Hauptfach erworben. Bereits nach kurzer Unterrichtstátigkeit ent-
schloss sie sich noch in den Fáchern Mineralogie und Geologie einen Universitátsab-
schluss zu machen. Dies geschah aus reinem Interesse an der Sache und wie sie sagt,
hatte sie immer das Gefühl, ,irgendetwas muss man noch dazu machen, man muss sich
auch weiterentwickeln" (Interview Z: 121-123). Dieser Drang sich stándig Weiterzuentwi-
ckeln, das Leben dynamisch zu gestalten, zeigt sich ebenfalls deutlich in ihrem Wunsch, in
einem bestimmten Intervall sich neu zu orientieren und andere berufliche Wege einzu-
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