Volltext: Frauen in der politischen Elite Liechtensteins

anderen Bewusstsein sozialisiert. Das überlieferte Wissen um die Staatswerdung Liech- 
tensteins hat Y und mit ihr zahlreiche Liechtensteiner nachhaltig geprägt. Die heute pro- 
sperierende Industrie- und Dienstleistungsnation vermag nicht darüber hinweg zu täu- 
schen, dass Liechtenstein noch vor einem halben Jahrhundert ein armer Bauernstaat war. 
Einzelne zwischen repräsentativen Bauten eingekeilte, vom Zerfall gezeichnete Häuser 
und die LiechtensteinerInnen älterer Generation zeugen noch von dieser Zeit, die zuneh- 
mend in Vergessenheit zu geraten droht. Y gehört noch dieser Generation Liechtensteine- 
rinnen an, die in diesem Bewusstsein aufgewachsen sind. Sie ist in diesem Land verwur- 
zelt. Diese grosse Verbundenheit drückt sich in der Überzeugung aus, dass das Engage- 
ment für den Staat eine Bürgerpflicht ist. Wenn wir in diesem kleinen Land den Apparat 
am Leben erhalten müssen, wollen wir ja, wir wollen ja eigenständig bleiben, ... dann muss 
es halt auch irgendjemand geben, der, ja, in meinen Augen, ich sage jetzt immer, acht 
Jahre find ich Frondienst am Staat [angemessen]" (Interview Y: 119-124). Dieser Einsatz 
für den Staat und die Gemeinschaft muss nicht in einer politischen Institution erfolgen, 
sondern kann auch in einer Elternvereinigung oder in einer Kommission abgegolten wer- 
den (Interview Y: 115-118). Diese Überzeugung ist für Y eine innere Verpflichtung, an die 
sie sich gebunden fühlt. 
Dieser Leitsatz ist nicht der einzige, der ihr Leben strukturiert. So ist beispielsweise eine 
ihrer Devisen: ,Lasse es nie soweit kommen, [...] dass man dich wegen dem Aussehen 
oder wegen der Art von der Kleidung bereits in die Ecke stellt" (Interview Y: 916-920). 
Selbst ihre Neugier gehorcht dem Leitsatz, ,gut, ich bin sowieso jemand, der eigentlich ... 
das Gefühl hat, sie müsse alles einmal probieren ... . Meine Devise ist, das kann man ja 
einmal zwei Jahre machen und nachher weiss man, ob es etwas ist oder nicht" (Interview 
Y: 165-170). Gefragt nach ihrem Selbstverstándnis als Politikerin verhált es sich gleich. 
,Also ich würde jetzt einmal sagen, dass ich meiner Eigenschaft, dass jeder der 
mich kennt, eigentlich weiss, wer ich bin, treu geblieben bin. Also, das ist immer 
schon meine Devise gewesen. Ich bin sehr gradlinig, offen, kann aber auch viel 
vertragen. Also das Umgekehrte, bei mir weiss man meistens, woran dass man 
ist" (Interview Y: 538-545). 
Ihr Leben wird stark von Devisen geleitet, die dadurch erhoffte Gradlinigkeit und Klarheit 
lásst sich hingegen nur schwer ausmachen. Vielmehr kann sich dadurch eine Starrheit 
manifestieren, die keine Unsicherheit zulásst und so zur Angriffsflàche wird. Ihre holprige 
Ausdrucksweise wie zum Beispiel am Frondienstzitat abzulesen (Interview Y: 119-124) 
und der teilweise nur schwer nachvollziehbare Gedankengang irritieren zusátzlich. Das 
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