Foundation Governance bei privatnützigen und gemeinnützigen Stiftungen
In der Praxis stellt die Stiftungsaufsichtsbehörde alle jene Stiftungen unter ihre Aufsicht, bei welchen
der Stiftungsrat erklärt, dass es sich um eine gemeinnützige Stiftung handelt. Die Stiftungsdokumente
werden erst anlässlich der ersten Prüfung durch die Revisionsstelle bzw. im Befreiungsfall durch die
Stiftungsaufsichtsbehörde überprüft. Aber auch anlässlich dieser ersten Prüfung wird vom Status quo
ab Gemeinnützigkeit ausgegangen. Dabei wird zwar der Vorgang des Wechsels von der Privatnützigkeit
zur Gemeinnützigkeit, aufgrund dessen die Stiftung der Aufsicht unterstellt wurde, beachtet, nicht je-
doch der Gesamtzeitraum ab Stiftungserrichtung geprüft. Sollten bereits zu einem früheren Zeitpunkt
etwa materiell unzulássige Statutenánderungen vorgenommen worden sein, die letztlich in eine Gemein-
nützigkeit münden, ist diese ,, Vorgeschichte" nicht Gegenstand der Prüfung. Erst im Anlassfall prüft die
Revisionsstelle, allenfalls im Zuge einer Sonderprüfung, auch zeitlich weiter zurück. Allerdings ist es
auch hier nur môglich, die Stiftungsdokumente, nicht aber die ursprünglichen Gründungsdokumente
bzw. Unterlagen und Notizen im Zusammenhang mit der Auftragserteilung durch den Stifter einzuse-
hen.?
7.2 Gemeinnützige Institution als Letztbegünstigte
Im Verfahren zu 05 HG.2015.197 (nicht veróffentlicht) ging es um eine Stiftung, die nach dem Verster-
ben der Familienmitglieder nur noch eine gemeinnützige Institution in den Beistatuten als Begünstigten
bestimmt hatte, an welche das gesamte Stftungsvermógen ausgeschüttet werden sollte. Dabei wurde
die Frage aufgeworfen, ob sich die Stiftung in eine gemeinnützige Stiftung gewandelt hat und den ent-
sprechenden Bestimmungen für gemeinnützige Stiftungen unterliegt.??
Ohne näher auf die Hintergründe des Verfahrens einzugehen, ist doch der Beschluss des Fürstlichen
Obergerichts im Rekursverfahren genauer zu betrachten, in welchem dieses schreibt: „Als gemeinnüt-
zige Stiftung untersteht die W Stiftung der Stiftungsaufsicht. Dass es sich hier um die Ausschüttung einer
Letztbegünstigung handelt, ändert an alldem nichts. Es kann keinen Unterschied darstellen, ob die Ge-
meinnützigkeit aufgrund wiederholter Begünstigtenausschüttungen besteht oder aufgrund einer Einmal-
zahlung. Sinn und Zweck der Stifiungsaufsicht ist die Sicherstellung einer dem Stiftungszweck gemássen
Verwaltung und Verwendung des Stifiungsvermógens durch die Stiflungsorgane. Ob es sich dann um
eine einmalige Ausschüttung einer Letztbegünstigung handelt oder um wiederkehrende Ausschüttungen
ist nicht von Belang. '?**
Es stellt sich die Frage, ob nach jahrelangem Bestehen einer privatnützigen Stiftung aufgrund einer
Einmalauszahlung an eine gemeinnützige Organisation von einer überwiegend oder — stellt man auf den
256 Vgl Pkt. 4.1.12.
257 Vgl. dazu die allgemeinen Ausführungen unter Pkt. 6 Wechsel von einer privatnützigen Zweckbestimmung hin zur Ge-
meinnützigkeit.
258 Beschluss OG vom 04.12.2015 zu 05 HG.2015.197.
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