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folgern zu wollen, die Bundesverfassung postuliere die volle Gleichstellung der Geschlechter auf
dem Gebiete des gesamten öffentlichen und Privatrechts, so ist diese Auffassung ebenso neu als
kühn; sie kann aber nicht gebilligt werden [...]“ 1891 verfasste Dr. Kempin in derselben
Angelegenheit, wiederum vergeblich, eine Petition an den Zürcher Kantonsrat. Auch die Schweizer
FrauenstimmrechtskämpferInnen beriefen sich immer wieder auf diesen zentralen Passus: Im Jahre
1923 beriefen sich 26 Bernerinnen vergeblich auf diesen Artikel, als sie ein Begehren um Eintragung
in das Stimmregister stellten, was zu einer staatsrechtlichen Beschwerde an das Bundesgericht führte,
die abgelehnt wurde. 1956 forderten 1414 Westschweizerinnen die Eintragung ins Stimmregister, die
1957 durch das Bundesgericht abgelehnt wurde. Dasselbe Prozedere spielte sich 1982 in
Liechtenstein ab, als 25 Frauen die Eintragung in das Stimmregister für die Landtagswahlen
begehrten. Art. 3] der liechtensteinischen Verfassung besagt, dass alle Landesangehórigen vor dem
Gesetz gleich seien. Trotz der aus dem Jahre 1970 stammenden Definition des Begriffes
,bandesangehórige" als „ohne Unterschied des Geschlechts“ LGBl. 1971, Nr. 22 wurde die
Beschwerde durch den Staatsgerichtshof — abgelehnt, was wohl einzigartig in der
Verfassungsrechtssprechung ist.
Die Schweizerische Bundesverfassung Art. 4 wurde, nach dem Gleichheitszusatz von 1981, erst im
Jahre 1990 dahingehend angewendet, dass der Begriff „Landleute“ von Appenzell Innerrhoden auch
Bürgerinnen einschliesst. Dieser historische „Leerlauf“, der bezüglich Männerherrschaft auch in
anderen Bereichen festgestellt werden kann, wird auch dadurch illustriert, dass bereits 1872 Susan
Brownell Anthony (1820-1906) und 15 weitere Frauen vergeblich die Eintragung in die Wahllisten
von Rochester, New York, begehrten und ihr Recht auf Stimmabgabe für die Präsidentschaftswahlen
forderten, wofür sie eine Geldstrafe von 100 Dollar erhielt, diese aber nie bezahlte.
Das späte Frauenwahlrecht in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein
Wie bei der Einführung des Frauenstudiums begegnen uns auch beim Frauenstimmrechtskampf
wieder Emigrantenkreise von 1848. Demokratisch und pazifistisch gesinnte Emigranten gründeten im
September 1867 die „Internationale Friedens- und Freiheitsliga” in Genf. Diese Liga gab eine Zeitung
heraus mit dem Titel „Die Vereinigten Staaten von Europa“. Das war, nach dem Muster der USA, das
Fernziel der Liga. Vizepräsident der Liga und zweiter Redakteur der Zeitung war Armand Goegg, der
als einer der drei Führer des gescheiterten badischen Aufstandes von 1849 in die Schweiz geflohen
ist. Bei der Niederschlagung des dritten badischen Aufstandes war auch ein liechtensteinisches
Kontingent beteiligt. Als Mitglied des Deutschen Bundes war Liechtenstein verpflichtet, dem
Reichsheer ein Kontingent zu stellen, wenn hier auch nur 55 Mann plus 27 Mann Reserve. Es war
dies der letzte Kampfeinsatz liechtensteinischer Soldaten, denn im Krieg von 1866 zwischen
Österreich und Preussen rückte das Kontingent erst am Tag nach dem Waffenstillstand aus. Das
Kriegsende bewirkte die Auflösung des Deutschen Bundes, womit sich auch das Kontingent
erübrigte, Liechtenstein am 12. Februar 1868 das Militär abschaffte und seither als neutrales Land in
Frieden lebt.
Marie Goegg (1826 — 1899), die Ehefrau Armand Goeggs, veröffentlichte in der Zeitschrift der Liga
einen Artikel, der einen Aufruf zur Bildung der „internationalen Frauenassoziation“ enthielt. Dieser
erschien am 8. März 1868 in der französischen und in der Nr. 12 der deutschen Ausgabe. Dies gilt als
Beginn der formellen Frauenstimmrechtsbewegung in der Schweiz. Sechs Frauen antworteten auf
diesen Appell, darunter sogar eine Leserin aus Düsseldorf: Rosalie Schönwasser.
Reaktionäre 2. Hälfte des 19. Jh.s: Frauen wurde das Stimmrecht genommen
Wie in der frühen Neuzeit im 16. Jh., so war auch die 2. Hälfte des 19. Jh.s von reaktionären Akten in
Bezug auf Frauenrechte gekennzeichnet. 1887 wurde das bernische Gemeindegesetz von 1833
abgeändert, das Frauen, die ein bestimmtes Vermögen versteuerten, das Mitspracherecht in
Gemeindeangelegenheiten gewährte. Bereits im Mittelalter, bis in die frühe Neuzeit, konnten Frauen,
meist Witwen, aufgrund von Hausbesitz politische Berechtigung haben. „Man könne nicht den
Bernerinnen gestatten, was den übrigen Schweizerfrauen verwehrt sei.“, wurde argumentiert. Mit der
Abschaffung des Frauenstimmrechtes auf Gemeindeebene konnte auch auf die Staatsrechtliche