Volltext: Vom frühen Frauenstudium zum späten Frauenwahlrecht in der Schweiz und Liechtenstein

2 
Anita Augsburg (1857-1943) studierte von 1893-1897 in Zürich Jura. Sie war die erste Juristin 
Deutschlands, Vorkämpferin für das Frauenwahlrecht und engagierte Pazifistin. Nach der 
Machtübernahme Hitlers 1933 kehrte sie, zusammen mit Lida Gustava Heymann (1868-1943), nicht 
mehr von einer Auslandsreise zurück und wählte ihr Exil 1934 in ihrer ehemaligen Studierstadt 
Zürich. Die Nazis vernichteten das grosses Frauenarchiv, das die beiden Feministinnen aufgebaut 
hatten. Seit 1994 befindet sich in Zürich — Fluntern ein Denkmal auf dem Grab für Anita Augsburg 
und Lida Gustava Heymann. 
Bereits in ihrer Studienzeit tat sich Anita Augsburg als Kümpferin für das Frauenwahlrecht hervor: 
Das Protokoll berichtet von der Allgemeinen Studentenversammlung im Kasino Hottingen am 8. 
Dezember 1896 von der Wortmeldung Anita Augsburgs: Sie ,spricht mit der Entrüstung einer aufs 
tiefste verletzten und auf hóchste gereizten Seele [..] für die Rechte der weiblichen 
Studentenschaft [...] Handeln Sie auch im Namen der Weltgeschichte! Oder kennen Sie denn 
nicht den Grad des Fortschrittes der Frauenbestrebungen? In wenigen Decennien werden die 
Frauen in der Landesvertretung zu finden sein. Es gilt auch jetzt für Sie, diese hóhern und 
weitern Gesichtspunkte im Auge zu behalten.“ Und später: “Wir werden unsere Niederlage mit 
Würde tragen, denn wir sind darauf gefasst!“ Kein einziger der anwesenden Männer hatte für das 
Anliegen der Studentinnen Partei ergriffen, wollte doch die Rednerin „die Verteidigung ihrer Sache 
denjenigen Herren unter den Anwesenden überlassen, die noch ein Gefühl von Gerechtigkeit haben.“ 
Laut Protokoll hätten „Ästhetische, eventuell sogar ethische Gründe“ zu einer Ablehnung geführt. 
Nach Ablehnung des Anliegens der Studentinnen wurde im traditionellen Lokal „Plattengarten“ 
weiterdiskutiert, wo neben Anita Augsburg auch ihre Kommilitonin und Mitstreiterin Rosa 
Luxemburg (1871 — 1919) Reden hielt. 
Das Leben der ersten Juristin der Welt, Emilie Kempin Spyri (1853-1901), wurde 1991 von der 
Schweizer Schriftstellerin und Historikerin Eveline Hasler in ihrem Buch „Die Wachsflügelfrau“ in 
romanhafter Form beschrieben. 
1883 hatte sie an der juridischen Fakultát in Zürich immatrikuliert und 1887 ,, Summa cum laude* 
promoviert. Die Privatdozentur in Rómischem Recht an der Fakultät wurde ihr aufgrund Paragraph 
132 des Unterrichtsgesetzes verweigert, der da lautete: “Wissenschaftlich gebildete Männer können 
an jeder der vier Fakultäten [...] als Privatdozenten auftreten." Dieser Paragraph wurde erst im Jahre 
1981 abgeändert. Aus finanziellen Gründen war Dr. Kempin zur Auswanderung nach New York 
gezwungen, wo sie das „First Women Law College“ nach dem Modell der „Woman Medical School“ 
in Boston gründete. 1891, zurückgekehrt, wurde ihr Habilitationsgesuch neuerlich abgelehnt, sie 
bekam jedoch als Ausnahme die Venia legendi für römisches, angelsächsisches und amerikanisches 
Recht. Erst 1983 erhielt eine Frau die zweite Privatdozentur an der rechts- und 
staatswissenschaftlichen Fakultät in Zürich. Die erste Professorin wurde erst 1987 angestellt. 1899 
erlitt Dr. Kempin aufgrund jahrelanger finanzieller Not und aufgrund jahrelanger Verhinderungen 
einen Nervenzusammenbruch und wurde völlig mittellos in eine Anstalt bei Basel eingewiesen, wo sie 
sich bei einem Pfarrer um eine von diesem zu vermittelnde Stelle als Dienstmagd bewarb. Das 
erschütternde Bewerbungsschreiben blieb erhalten und wurde von der Komponistin Patricia Jünger in 
ihrem preisgekrönten Stück „Sehr geehrter Herr - Ein Requiem“ eindrücklich vertont. Dr. Emilie 
Kempin bekam die Stelle nicht und verstarb mittellos und vereinsamt 1901 in der Nervenheilanstalt 
Friedmatt in Basel. Darauf, wie Frauen „verrückt gemacht werden“, kann ich an dieser Stelle nicht 
eingehen. Es sei hier nur erwähnt, dass auch die erste liechtensteinische Schriftstellerin Hermine 
Rheinberger, geboren 1864 auf Schloss Vaduz, gestorben 1932 in Mils, Tirol, die zweite Hälfte ihres 
Lebens in einer psychiatrischen Anstalt verbringen musste. 
Vom Frauenstudium zum Frauenwahlrecht in der Schweiz und in Liechtenstein 
1887 hatte Dr. Kempin eine Beschwerde an das Bundesgericht eingebracht, da sie als Anwältin vom 
Gericht keine Zulassung bekam. Sie berief sich auf jenen zentralen Passus in der Bundesverfassung, 
der besagte: „Jeder Schweizer ist vor dem Gesetz gleich.“ Das Bundesgericht lehnte das Gesuch um 
Zuerkennung des Anwältinnenpatents mit folgender Begründung ab: „[...] Wenn nun die 
Rekurrentin zunächst auf Art. 4 der Bundesverfassung abstellt und aus diesem Artikel scheint
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.