Volltext: Der letzte Gutenberger und der Schwabenkrieg

wusstes Bürgertum entstanden überall in der westlichen Welt prächtige neoromanische, 
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neogotische oder neobarocke Bauwerke. 
Durch die technischen Errungenschaften der 
Industrialisierung entstanden innerhalb weniger Jahre neue Kirchen, Kathedralen, Schlós- 
ser, Verwaltungsgebáude, Bahnhófe, Poststellen und sogar ganze Stadtkulissen in einem 
historistischen Stil. Damit erschufen die Nationen scheinbare monumentale Zeitzeugen 
einer beschónigten und aufgewerteten Vergangenheit. Diese enorme Bautätigkeit, mit wel- 
cher eine mürchenhafte Scheinvergangenheit erschaffen wurde, kónnte man aus heutiger 
Sicht provokativ als Disneyland des 19. Jahrhunderts bezeichnen. ^? 
Im Zeitgeist des Historismus wurde es unter der wohlhabenden und regierenden Bürger- 
schicht zur Mode, eine Ruine zu kaufen, um daraus eine romantische Ritterburg erbauen zu 
lassen und anschliessend zu bewohnen. So entstanden, durch eine idealisierte und romanti- 
sche Vorstellung des Mittelalters, vielerorts márchenhafte Burgen und Schlósser, welche 
meist mit den ursprünglichen, zu Ruinen zerfallenen Burgen nicht mehr viel gemeinsam 
hatten. Bekannteste Beispiele für diese Zeit der Burgenromantik sind vermutlich die 
Schlósser Hohenzollern, Hohenschwangau, Neuschwanstein, Haut-Koenigsbourg, Dra- 
chenburg, Wartburg, Burg Eltz oder Burg Kreuzenstein. 
5.5. Ein identitätsstiftendes Vermächtnis 
Auch Egon Rheinberger, der Erbauer der Burg Gutenberg, war vom Zeitgeist des Historis- 
mus und der Burgenromantik sehr angetan. Er war am Wiederaufbau von Burg Kreuzen- 
stein und Burg Liechtenstein beteiligt und konnte dort wertvolle Erfahrungen für den Wie- 
deraufbau seiner Burg sammeln. Zwischen 1905 und 1910 baute er nach eigenen Plänen die 
stark zerfallene Ruine Gutenberg zu einer idealisierten Ritterburg auf und bewohnte diese 
mit seiner Familie ab 1912. '¢* 
Nun galt es die Akzeptanz in der Bevölkerung für das neue Erscheinungsbild der Burg, 
welche im Sinne der Burgenromantik stark ausgeschmückt und erweitert wurde, zu gewin- 
nen. Die Balzner Dorfbevölkerung sollte sich mit ihrer neuen Burg identifizieren können. 
  
1? vgl. Boesch, Schlüpfer & Utz, 2014, S. 336 
165 Vg]. Priesters, 2006, S. 2ff. 
1* vg]. Wilhelm, 2009, S. 56-66 
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