4.4.2 Verankerung des konsolidierten Schulwesens in der Verfassung
Bereits drei Jahre nach dem Erlass des neuen Schulgesetzes wurde Liechtenstein zu einer
konstitutionellen Monarchie — und das Schulwesen in der Verfassung von 1862 verankert: ,
Für die nöthigen Unterrrichtsanstalten, insbesondere die Volksschulen, Real- und Gewerbe-
schulen, dann die Heranbildung und den Unterhalt der Lehrer soll zweckmässig gesorgt und
diese Sorge der besonderen Aufmerksamkeit der gesammten Landesvertretung empfohlen
werden" (& 54, Verfassung vom 26. September 1862, Onlineverzeichnis 13). Damit war nicht
mehr die fürstliche Domàne, sondern die (regionale) staatliche Verwaltung für das Schulwe-
sen zuständig (Martin 1984, S.47).
In der „revolutionären“ (Raton 1969, S.117) Verfassung von 1921 erhielt das Schulwesen
dann noch mehr Aufmerksamkeit. Im Vergleich zur Verfassung von 1862 rücken die Schul-
bestimmungen weit nach vorne und sind auch vielausführlicher. Sie haben — mit wenigen
Abänderungen — bis heute Gültigkeit®. Mit Begrifflichkeiten der Schulentwicklungsforschung
gespielt, lässt sich dieses Ereignis vielleicht als Zeichen dafür interpretieren, dass die
„Governance“ (Altrichter & Maag-Merki 2010 und Altrichter et al. 2007) der obersten Steue-
rungsverantwortlichen eine Rekontextualisierung (vergl. Z.B. Fend 2008, S.174 ff) zwischen
den Systemebenen liechtensteinische Gesellschaft und Bildungswesen zuliessen und sich
damit die Anschlussfáhigkeit (vergl. Luhmann & Baecker 2009) des Schulwesens und seiner
Botschaften" an die Gesellschaft weiter steigern konnte.
Art. 15
Der Staat wendet seine besondere Sorgfalt dem Erziehungs- und Bildungswesen zu (...)
Art. 16
1) Das gesamte Erziehungs- und Unterrichtswesen steht, unbeschadet der Unantastbarkeit
der kirchlichen Lehre, unter staatlicher Aufsicht.
2) Es besteht allgemeine Schulpflicht.
3) Der Staat sorgt dafür, dass der obligatorische Unterricht in den Elementarfácher in genü-
gendem Ausmass in öffentlichen Schulen unentgeltlich erteilt wird.
4) Der Religionsunterricht wird durch die kirchlichen Organe erteilt.
5) Niemand darf die unter seiner Aufsicht stehende Jugend ohne den für die öffentlichen
Elementarschulen vorgeschriebenen Grad von Unterricht lassen.
6) Der Besuch der Fortbildungsschule kann obligatorisch erklärt werden.
7) Der Staat übt die ihm zustehende oberste Leitung des Erziehungs- und Unterrichtswesens
durch den Landesschulrat aus, dessen Einrichtung und Aufgaben durch das Gesetz be-
stimmt werden.
8) Der Privatunterricht ist zulässig, soferne er den gesetzlichen Bestimmungen über die
Schulzeit, die Lehrziele und die Einrichtungen in den öffentlichen Schulen entspricht.
Art. 17
1) Der Staat unterstützt und fördert das Fortbildungs- und Realschulwesen sowie das haus-
wirtschaftliche, landwirtschaftliche und gewerbliche Unterrichts- und Bildungswesen.
2) Er wird unbemittelten, gut veranlagten Schülern den Besuch höherer Schulen durch Ge-
währung von angemessenen Stipendien erleichtern.
(Aus dem Original der Verfassung des Fürstentums Liechtenstein vom 5. Oktober 1921, LGBI 1921/
Nr. 15: Onlineverzeichnis 14)
88Unter dem Link www.gesetze.li lassen sich unter Eingabe des Suchbegriffes ,Schulgesetz“ die je-
weiligen Fassungen unter der Option ,chronologische Suche" schnell abrufen.
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