zu sehen, dass der Bass nicht zu sehr in die Tiefe geht, während der Sopran sehr hoch
liegt. Genauso liegt auch der Tenor in diesen Takten nicht zu hoch über den Bass
beziehungsweise unter den Frauenstimmen. Auch der Bass wird zum Großteil
melodisch geführt, außer in den Takten zwei und vier. Auch im restlichen Teil des
Finalchores sind die genannten Prinzipien zu erkennen.
Wie im Kapitel zwei zur Musikästhetik Rheinbergers schon erwähnt, ist seine Haltung
eher auf der konservativen Seite. An einer Stelle in seinen Raben wird deutlich, wie
gezielt Rheinberger chromatische Modulationen einsetzt, und zwar in der vierten Szene
des ersten Aktes. Elsbeths Arie endet in A-Dur. Danach folgen zwei Übergangstakte und
an dieser Stelle wird chromatisch die Dominante von F-Dur eingeführt. Daran schließt
sich unmittelbar das Duett von Elsbeth und Roderich. Im harmonischen Kontext
erscheint diese Modulation durchaus als kühn, obwohl die Bedeutung des Wortes sehr
relativ ist. In einer anderen Passage in der vierten Szene des ersten Akts finden sich
auffállige harmonische Gestaltungen. In den Takten 60-75 fehlt die Tonika. G- Dur und
A-Dur Bereiche werden durch eine Rückung verbunden. Die Harmonik an dieser Stelle
erhält so einen beliebig fortsetzbaren und offenen Charakter. Zusátzlich bildet die
Melodie, wie eben erwähnt kurze Bögen.”
Wie bereits angesprochen, ist die Oper im Großen und Ganzen nach der typischen
Rheinberger-Ästhetik komponiert. Allerdings gibt es hier und da einige Ausnahmen. Die
gebrachten Beispiele dienen nur der Veranschaulichung. Für die typische Rheinberger-
Ästhetik in der Oper finden sich noch unzählige andere Beispiele.
Die Mängel welche das Werk aufweist, waren Rheinberger auch selbst klargeworden.
Hans-Josef Irmen stellt dazu fest:
Gegenüber den Vorzügen fließender, zumindest polyphoner Diktion der Chor- und Ensemblesätze und
der Fülle delikater harmonischer Verknüpfungen als Ergebnis konsequenter Stimmführung steht
nämlich der Mangel eigentlich dramatisch-musikalischer Personifikation der agierenden
Bühnenfiguren. [...] Kurzatmige Motive, gewöhnlich in Sequenzen weitergesponnen, diffuse
melismatische Phrasen ohne faßlichen Kern, einzelne, charakteristisch zugespitzte Akzente
ermoglichen keine musikalische Charakterbezeichnung der Solopartien.”
7! Vgl. Josef Rheinberger, Die Sieben Raben, in: Josef Gabriel Rheinberger, Sämtliche Werke, Bd. 11, S.
86.
? Vgl. Josef Rheinberger, Die Sieben Raben, in: Josef Gabriel Rheinberger, Sämtliche Werke, Bd. 11, S.
86.
? Hans-Josef Irmen, Gabriel Josef Rheinberge als Antipode des Cücilianismus, S. 52.
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