So ist das Verbot der Rechtsverzögerung in Rechtshilfeverfahren sehr wohl anwendbar, Art. 6
Abs. 1 EMRK hingegen nicht.“
Der Staatsgerichtshof prüft die Frage des Vorliegens eines Verstosses gegen das Gebot einer
angemessenen Verfahrensdauer" anhand der Kriterien des EGMR: nämlich im Lichte der
Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer, des Verhaltens des Beschwerdeführers, der
Komplexität des Falles sowie der Behandlung des Falles durch die Behörden“.
Der Staatsgerichtshof hielt jedoch auch fest, dass diese vier Kriterien" lediglich Aspekte dar-
stellen, „die der EGMR bei der Überprüfung der Verfahrensdauer im Einzelfall heranzieht.
Sie bilden für sich jedoch keine Messlatte, da ausschlaggebend für die Beurteilung der Ange-
messenheit der Verfahrensdauer letztlich immer die konkrete Konstellation des Einzelfalles
ist. ^5
In Orientierung am case-law des EGMR und am dazu ergangenen Schrifttum wurde bei-
spielsweise eine Verfahrensdauer, die „geteilt durch die Zahl der Instanzen eineinhalb bis
zwei Jahre ergibt", als noch vertretbar betrachtet.”
Im Falle der Feststellung einer solchen Grundrechtsverletzung ist der Staatsgerichtshof aller-
dings mit dem Problem konfrontiert, dass die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
dann, wenn die Sachentscheidung als solche nicht verändert wird, nur zu einer Verlängerung
der Grundrechtsverletzung führen kann. In diesen Fällen stellt der Staatsgerichtshof wie im
Übrigen auch der österreichische Verfassungsgerichtshof“ ? fest, dass der Beschwerdeführer
durch die angefochtene Entscheidung „in seinem verfassungsmässig und durch die EMRK
gewährleisteten Recht auf eine Entscheidung innert angemessener Frist gemäss Art. 31 Abs. 1
** StGH 2008/152.
* In der liechtensteinischen Grundrechtspraxis wird die angemessene Verfahrensdauer auch das Teil des
,Rechtsverzógerungsverbots" betrachtet, das als zwar nicht explizit formuliertes, aber aus dem Gleichheitssatz
der Verfassung abgeleiteten selbstándigen grundrechtlichen Anspruch, der vor dem Staatsgerichtshof gerügt
werden kann, verstanden (vgl. Vogt, Rechtsverweigerung, S. 605).
?* StGH 2004/25, Erw. 2.2 mit Verweis auf Mark E. Villiger, EMRK-Kommentar, 2. Aufl., Zürich 1999, 290, Rz.
459; vgl. auch StGH 2004/58, www.gerichtsentscheide.li, Erw. 7.2 und StGH 2005/43, Erw. 9.2). Siehe auch
Hugo Vogt, Rechtsverweigerung, Rechtsverzógerung, überspitzter Formalismus, in: Kley/Vallender (Hrsg.),
Grundrechtspraxis in Liechtenstein, LPS 52 (2012), S. 593 — 618 (S. 607 f.).
?/ Zum Inhalt dieser vier Kriterien im einzelnen Christoph Grabenwarter/Katharina Pabel, Europáische Men-
schenrechtskonvention, 5. Aufl. (2012), S. 428 ff. Rz 70.
?? StGH 2005/52.
9 StGH 2010/29, www.gerichtsentscheide.li, Erw. 6 unter Hinweis auf Wolfgang Peukert, in: Jochen Abr. Fro-
wein/Wolfgang Peukert (Hrsg.), Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. (2009), Rz 249.
? vgl. etwa VfSlg 16.747/2002; VfSlg 17.339/2004; VfSlg 18.012/2006.