Auf Grund der Funde, vor allem der Münzen [siehe Karte/Abbildung 7], kann auf
zwei Perioden römischer Besiedlung geschlossen werden , deren erste ungefähr das
3. Viertel des 3. Jahrhunderts umfasst und die zweite ins 2. Drittel des 4.
Jahrhunderts gehört.”
Die erste Siedlungsperiode stimmt genau mit dem grossen Alemanneneinfall, der vor Mailand
erst gestoppt werden konnte, der Jahre 259/260 überein. Dieser Alemanneneinfall bewirkte
den Zusammenbruch des rätischen Limes. Die moderne Forschung weiss, dass dabei viele
Dörfer, Villen und Städte im Voralpenland und überhaupt der ganzen Schweiz zerstört
wurden. Die Bewohner rund um das heutige Schaan erbauten am besonders geschützten Ort
„Auf Krüppel“ eine befestigte Siedlung. Hóchstwahrscheinlich wurde in höchster Eile eine
Mauer um die Siedlung gezogen. Was nach dem Alemanneneinfall dieser Jahren in
Alpenrheingebiet geschah, ist uns leider nicht bekannt. Nach der Vertreibung dieser
Alemannen, kam eine relativ ruhige Zeit für dieses Gebiet.
Für die zweite Siedlungperiode müssen wir uns zuerst wieder kurz den Ereignissen im Allge-
meinen widmen. Im Jahre 350 zog der zum Augustus ausgerufene Magnentius gegen
Constantius II. Notgedrungen musste er die rómischen Truppen von der Grenze abrücken, so
dass es zu einer Entblóssung der Nordgrenzen kam. Die Germanen und andere Barbaren
nützten sofort diese Móglichkeit, sie überschritten den Rhein und nahmen das Land in ihr
Besitz. Es ist also anzunehmen, dass zu diesem Zeitpunkt die Hóhensiedlung ,, Auf Krüppel*
als Zufluchtsort benutzt wurde, jedoch von den einfallenden Stámme erobert und zerstórt
wurde. Die Münzfunde untermauern eine solche These, da die letzten gefundenen Münzen
aus der Zeit dieser Barbareneinfälle stammt (ca. 355 n. Chr.).
Nun muss man sich nach dem Zusammenhang dieser Hóhensiedlung und dem Kastell Schaan
fragen.
Es ist ja wohl kaum denkbar, dass die vom Feind bedrohte Bevólkerung um 350 n.
Chr. sich in die schwachen alten Mauern des «Krüppel» geflüchtet hátte, wenn
wenig unterhalb das stark ummauerte und zweifellos von einem militárischen
Kommando verteidigte Kastell als Zuflucht zur Verfügung gestanden hátte.?*
Somit kann davon ausgegangen werden, dass das Kastell Schaan zu einem späteren Zeitpunkt
erbaut wurde. Und auf Grund der gefundenen Münzreihen wird dieses Kastell in die Zeit
Valentinians I. datiert. In diesem Kastell war höchstwahrscheinlich eine Garnison stationiert,
die sich gegen die eindringenden Alemannen zur Wehr setzten. Man geht heutzutage davon
aus, dass dieses Kastell um 457. n. Chr. vernichtet wurde, nämlich zu jenem Zeitpunkt, als
germanische Stämme über den Splügen ins Tessin stürmten und sehr wahrscheinlich im
Alpenrheintal für kürzere Zeit die Herrschaft an sich rissen.
3.4. Das Kastell Schaan entlang einer römischen Strasse in Liechtenstein
Wie bereits erwähnt, verlief westlich des Kastell eine römische Strasse. Im Allgemeinen
bauten die Römer Strassen im Bestreben, das eroberte Land zu halten und zu konsolidieren.
[...] der Handel benötigte die Verkehrswege, Eilboten und Post benutzten die Ver-
bindungen, auf den Heerstrassen zogen Legionen in gefährdete Gebiete.”
In Alpengebiet erstellten die Römer ein dichtes Strassennetz. Man denke dabei an die
Peutingerische Karte, die alle römische Strassen auf dem damaligen europäischen Kontinent
darstellt. Der Verfasser zeichnetet ebenfalls die Flüsse, Berge und die Seen ein. Es handelt
?7 Beck David, „Der prähistorische und spätrömische Siedlungsplatz «Auf Krüppel» ob Schaan“, Jahrbuch des historischen
Vereins für das Fürstentum Liechtenstein., 64. Band, S. 48.
? Beck David, ,Der prühistorische und spátrómische Siedlungsplatz «Auf Krüppel» ob Schaan", Jahrbuch des historischen
Vereins für das Fürstentum Liechtenstein., 64. Band, S. 82.
29 Malin Georg, „Das Gebiet Liechtensteins unter römischer Herrschaft“, Jahrbuch des historischen Vereins für das
Fürstentum Liechtenstein, 58. Band, S. 29.
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