Paul Vogt, Abgeordneter der Oppositionspartei ,Freie Liste", fasst die Situation so
zusammen: ,,Der Skandal rüttelt an den Grundfesten des Finanzplatzes Liechtenstein." (SZ,
27.2.2008, 30)
— Fazit. Die liechtensteinische Opposition war die einzige Gruppe in Liechtenstein, die
sich (selbst)kritisch zu den Vorfällen äuBerte und damit der eigenen Regierung in
dieser internationalen Debatte in den Rücken fiel (siehe auch Schlussfolgerungen).
Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein hat mit seinen Äußerungen sicher die öffentliche
Meinung in Liechtenstein wieder gegeben und erntete dafür innenpolitisch viel Anerkennung.
Als Staatsoberhaupt ist ihm das Ohr der Massenmedien sicher, wenn er einmal öffentlich
spricht, wie in der Pressekonferenz am 19.2.2008, die er gemeinsam mit Justizminister
Tschütscher bestritt. „Es ist ein vollkommen überrissener Angriff gestartet worden gegen
Liechtenstein. [...] Offensichtlich will man in großem Stil Hehlerei betreiben.“ (Reuters,
19.2.2008) und „Eine internationale Studie hat [...] das deutsche Steuersystem als das
schlechteste weltweit eingestuft — noch nach Hait. [..] Das Vorgehen der deutschen
Behôrden wäre in Liechtenstein gesetzlich nicht gedeckt." (Dow Jones, 19.2.2008) und ,ist so
eine Vorgehensweise gegenüber einem der kleinsten europäischen Staaten (Liechtenstein ist
der viertkleinste Staat Europas, nach dem Vatikan, Monaco und San Marino; Anm.d. Verf.)
mit den Grundprinzipien des demokratischen Rechtsstaates wirklich vereinbar?“ (Bôrsen-
zeitung, 20.2.2008, 3) und ,,Deutschland wird mit seinem Angriff auf Liechtenstein nicht das
Problem mit seinen Steuerzahlern lósen. [..] Deutschland sollte seine Steuergelder besser
dafür einsetzen, sein Steuersystem in den Griff zu bekommen, als Millionenbetráge für Daten
auszugeben, deren rechtliche Verwertbarkeit zweifelhaft ist.“ (Handelsblatt, 20.2.2008, 4) und
,,Bei uns kónnen fiskalische Interessen nicht über rechtsstaatliche Prinzipien gestellt werden.“
(SZ, 20.2.2008, 4)
Die Haltung des Fürstenhauses zu Steuerfragen und internationaler Steuerkooperation ist seit
langem bekannt. So ist vielen der Satz von Fürst Hans-Adam II. noch in Erinnerung: „Ich
kann die Flüchtlinge aus den Steuerwüsten verstehen, denn im Grunde genommen sind sie
politische Flüchtlinge."
Fazit. Durch die inhaltlich klare und verbal scharfe Stellungnahme in der Presse-
konferenz vom 19. Februar 2008 konterte Erbprinz Alois für einmal die scharfen
Tóne aus Deutschland und ermóglichte es der Regierung in der Folge moderat
aufzutreten und die ansonsten guten bilateralen Beziehungen zwischen
Deutschland und Liechtenstein zu betonen.
6.5.6 Unterschiedliche Óffentlichkeiten in Liechtenstein und in Deutschland
Aus Platzgründen und aus Gründen der Übersichtlichkeit werden die Akteure sowohl auf
liechtensteinischer wie auf deutscher Seite auf einem relativ hohen Abstraktionsgrad
zusammengefasst. Besonders detaillierte und komplexe Partikularinteressen werden hier nicht
berücksichtigt. Es wird von einem Set von gemeinsamen Interessen ausgegangen, mit denen
die Autorin die verschiedenen Interessengruppen dann zu grófleren Kollektiven oder Offent-
lichkeiten zusammenfassen kann, ohne das Ergebnis dieser Arbeit zu beeintráchtigen.
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