Volltext: Ueber die Durchführung der Sozialversicherung im Fürstentum Liechtenstein

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II. Abschnitt. 
Geschichtliches über die Einführung d. Sozial 
versicherung in den verschiedenen Staaten. 
Das neue Projekt in Frankreich. 
Die Sozialversicherung in der Schweiz. 
1. Geschichtliches. 
Die geschichtliche Behandlung der Einfüh 
rung der Sozialversicherung in den verschiede 
nen Staaten muß wertvolle Fingerzeige für 
alle gegenwärtigen und zukünftigen Bestrebun 
gen auf diesem Gebiete geben. Allein sie würde 
uns hier zu weit führen. Wir erlauben uns 
daher, zur Orientierung über diese Fragen un 
serem Bericht die schon zitierte Arbeit des Ver 
fassers beizulegen: „Gutachten über eine allge 
meine Alters- und Jnvaliditätsversicherung für 
den Kanton St. Gallen, ausgearbeitet von Dr. 
H. Renfer" (1908). Der ganze erste.Teil ist 
diesem Gebiete gewidmet und behandelt die 
Geschichte der Alters- und Invalidenversiche 
rung bis zum Datum der Ausgabe des Buches. 
Ferner fügen wir zur weitern Orientierung 
bei die „Botschaft des Bundesrates an die 
Bundesversammlung betreffend Einführung 
des Gesetzgebungsrechtes über die Jnvaliditäts-, 
Alters- und Hinterlassenenversicherung und be 
treffend die Beschaffung der für die Sozialver 
sicherung erforderlichen Bundesmittel" vom 
21. Juni 1919, indem wir insbesonders auf 
die Seiten 14—33 verweisen. 
Ersehen wir aus diesen Uebersichten, daß 
speziell die Alters- und Invalidenversicherung 
bereits in einer großen Anzahl von Staaten 
der ganzen Welt gesetzlich geregelt ist, so trifft 
solches noch mehr zu für die Kranken- und Un 
fallversicherung. 
2. Der neue französische Gesetzescntwurf. 
Von besonderem Interesse sind für uns aber 
die neuesten Bestrebungen auf dem Gebiete der 
Sozialversicherung, namentlich in unserem 
Nachbarstaate Frankreich*). Tort besteht bis 
heute auf dem Gebiete der Krankenversicherung 
reine Freiwilligkeit ohne nennenswerte finan 
zielle Beteiligung des Staates. Für Unfälle 
- sind die Betriebsinhaber im Gewerbe, Handel, 
landwirtschaftlichen Motorbetrieben und in der 
Schiffahrt haftpflichtig (Gesetz vom 9. April 
*1 Wir entnehmen die nachfolgenden Mitteilungen 
dem Aufsatz von Prof. Dr. Ä. Bohren: „Der 
Entwurf eines Gesetzes über die Sozialversiche 
rung in Frankreich". 
1918) gegenüber ihren Arbeitern und Betriebs 
beamten; die Leistungen bestehen in Uebernah 
me der Arztkosten, 50% des Lohnes als Tag 
geld, in Renten bis zu 66 2 / s % des Jahres 
lohnes an Invalide und bis zu 60% an Hin 
terlassene. Eine Altersversicherung ist (wie be 
reits oben erwähnt) in Kraft seit 1. Juli 1911 
und ist obligatorisch für alle unselbständig Er 
werbenden in Handel, Industrie und Land 
wirtschaft mit Einkommen bis zu Fr. 5000; 
die Leistungen bestehen in einer mit Erreichung 
des 65. Altersjahres beginnenden 'Altersrente, 
die allein vom Eintrittsalter und nicht von der 
Lohnhöhe abhängig ist und im Maximum, ein 
schließlich Staatszuschuß Fr. 510 ausmacht. 
Tie Prämien sind ebenfalls einheitlich und be 
tragen Fr. 18 für den Mann, Fr. 12 für die 
Frau und Fr. 9 für die Minderjährigen bei 
derlei Geschlechts. Tie eine Hälfte ist vom Ar 
beitgeber, die andere vom Versicherten auszu 
bringen. Tie Beteiligung des Staates besteht 
in einer ebenfalls nur vom Beitirittsalter ab 
hängigen Zuschußrente von Fr. 60 im Maxi 
mum. 
Tas neue Projekt ist in einem einheitlichen 
Gejehesentwurfe niedergelegt. Folgendes sind 
die wesentlichen Punkte des Entwurfes: 
1. Alle Zweige der Sozialversicherung — 
mit Ausnahme der Versicherung der Berriebs- 
unfälle — werden in einem Gesetz geordnet 
und auf den gleichen Personenkreis anwendbar 
erklärt. 
2. Dieser Perjonenkreis ist ein beschränkter 
und umschließt allein die unselbständig Erwer 
benden mit einem Einkommen unter 10,000 
Franken und die Pächter. Für die andem Be 
völkerungskreise wird eine freiwillige Vevsiche- 
rung geschaffen. 
3. Tie Mittel werden aufgebracht durch 
nach Lohnklassen abgestufte Beiträge der Ver 
sicherten und der Arbeitgeber in gleicher Höhe 
und durch Zuschüsse des Staates. Die Kosten 
der Mutterschaft fallen ganz zu Lasten des 
Staates. 
4. Tie Verstcherungsleistungen sind nach 
Lohnklafsen abgestuft; die Altersrente ist au 
ßerdem vom Eintrittsalter des Versicherten ab 
hängig; 
5. Tie Uebergangsperiode wird so geord 
net, daß den im Moment des Inkrafttretens 
des Gesetzes bereits in höherem Alter stehenden 
Aktiven eine bestimmte minimale Altersrente 
garantiert wird; 
6. Zur Durchführung der Versicherung 
werden regionale Kassen geschaffen. Kranken-
	        

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