Volltext: Ueber die Durchführung der Sozialversicherung im Fürstentum Liechtenstein

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I. Abschnitt. 
Allgemeine Ausführungen über Sozial 
versicherung. 
Ziele, Mittel und Erfolge. 
Sozialversicherung und Armenfürsorge. 
1. Allgemeine Erläuterungen. 
Das Gedeihen eines Staatswesens hängt ab 
vom Wohlergehen seiner Glieder, der einzelnen 
Siaatsbürger. Dieses wiederum ist normaler 
weise bedingt durch die staatlichen Einrichtun 
gen einerseits, die persönlichen Verhältnisse an 
derseits. Diese engen Wechselwirkungen werden 
umso augenfälliger, je höher entwickelt ein 
Staarengebilde ist. Aber auch die Störungen in 
diesem Netz sind uinso tiefer, fe feiner und viel 
fältiger die Maschen sind. Für die Persönlichen 
Verhältnisse des größten Teils aller Glieder 
des modernen Staates spielt die Persönliche 
Arbeitskraft im allgemeinsten Sinne, die ihrer 
seits durch die Lebensenergie bedingt ist, die 
größte Rolle. Jede Verringerung, noch viel 
mehr aber das Aufhören dieser Kraft, hat eine 
sofortige Störung des Persönlichen Wohlerge 
hens, der Existenz des Individuums und der 
aus ihnen gebildeten Gemeinschaften (Familie, 
Gemeinde, Staat) zur Folge. Ter menschliche 
Geist hat aber ein Mittel gefunden, um die 
Folgen solcher, den Gesetzen des Zufalls fol 
genden Einzel-Störungen zu beheben oder be 
deutend abzuschwächen: Dieses Mittel heißt 
Versicherung, speziell Personenversicherung. 
Durch letztere wird bewirkt, daß die notwendi 
gen Existenzmittel für den durch Störung 
(Minderung und Verlust) der Arbeitskraft des 
Individuums entstehenden Bedarf planmäßig 
bereitgestellt werden, entweder durch das In 
dividuum selbst oder unter Beihülfe eines 
Tritten oder des Staates selbst, immer aber 
unter Heranziehung einer geeigneten Einrich 
tung, welche Versicherungsträger heißt. Erfolgt 
diese Bereitstellung der Mittel für die Folgen 
der künftigen Störungen der Arbeitskraft auf 
Veranlassung des Staates hin, d. h. nicht aus 
dem Belieben des einzelnen heraus, sondern 
zwangsweise für einen Teil oder' den ganzen 
Umfang der Glieder des Staates, so hat man 
das vor sich, was man unter dem Sammel 
namen „Sozialversicherung" begreift. 
Krankheit, Unfall. Tod, Invalidität, Alter, 
sie alle bedeuten Störungen der Arbeitskraft, 
sie alle haben die Minderung oder den Verlust 
der Arbeitskraft und damit der Existenzmittel 
zur Folge. Aber noch sind andere Störungen 
zu nennen, bei den Frauen die Schwangerschaft 
und das Wochenbett, bei den Erwerbstätigen 
im eigentlichen Sinne die Arbeitslosigkeit. 
Nicht zu vergessen ist der Krieg, der nicht nur 
einzelne Glieder, sondern alle, den Staat selbst, 
aus den normalen Bahnen hinauswirft und 
einen großen Teil der „Einzelwirtschaften" ins 
Verderben zieht. Schließt aber ein Staat den 
Krieg und seine Folgen als versichertes Ereig 
nis in seine Sozialversicherung ein, so betreibt 
er damit nichts anderes alz eine Rüstung zum 
Krieg; er entzieht der Wirtschaft Mittel für 
die Deckung eines Bedarfes, den die moderne 
Menschheitsbewegung durch völkerumfafsendc 
Einrichtungen aus dem Bereich der Möglichkeit 
schaffen will. Sozialversicherung und Krieg sind 
zwei Kräften vergleichbar, die einander ent 
gegenwirken. 
2. Ziele, Mittel und Erfolge. 
Kehren wir uns ab vom Krieg, dem Zer 
störer zahlreicher Einzelwirtschaften. Wenden 
wir uns der Sozialversicherung zu, jener un 
gemein segensreichen Einrichtung, die allein 
für die Zukunft einen namhaften Fortschritt 
bedeutet. Welches sind ihre Ziele, welches ihre 
Mittel, welches ihre Erfolge? 
Die Ziele lassen sich einem einzigen unter 
ordnen: es ist die Erhaltung und Förderung 
der Volkswohlfahrt durch wirtschaftlichen 
Schuh des Schwachen! Ter Kranke, der Ver 
unglückte, der Arbeitsunfähige (Invalide oder 
Alte), der Arbeirslose, sie alle bedürfen des 
Staates; aber auch die Witwen, die Waisen 
wollen geschützt sein, wollen ein schützendes 
Dach, ein tägliches Brot. Neben finanzieller 
Hülfe (Auszählung einer einmaligen Summe 
oder einer Rente) sollen die Kranken und Ar 
beitsunfähigen auch Pflege, ärztliche Behand 
lung und Versorgung in Anstalten erhalten. 
Das Mittel, zum Ziel zu gelangen, besteht 
in der tatkräftigen Mithülfe aller Volksteile. 
Nicht nach Willkür, sondern nach streng recht 
lichen Grundsätzen soll anderseits das Gewäh 
ren der „Versicherungsleistungen" erfolgen. 
Damit ist schon gesagt, in welcher Beziehung 
sich die Versicherung von der Armenfürsorge
	        

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