Volltext: Ueber die Durchführung der Sozialversicherung im Fürstentum Liechtenstein

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deutet und daß jedes Zuwarten die Zahl der 
zur Beitragszahlung unfähigen Greise und In 
validen größer macht! Tie Führer des Volkes, 
die Regierungen tragen cine große Verant 
wortung ; wohl ihnen, wenn sie rechtzeitig die 
Mittel und Wege suchen und finden, um die 
soziale Frage zu lösen. Wo ein Wille ist, da ist 
auch ein Weg! 
4. Die Art des Vorgehens. 
Ta die Turchführung der Sozialversicherung 
als Ganzes sehr beträchtliche finanzielle Mittel 
erfordern wird, so ist es wohl angezeigt, auch 
Ueberleguugen darüber anzustellen, in welcher 
Weise die einzelnen organisch zusammengehö 
renden Teile der Sozialversicherung auch etap 
penweise eingefflhrt werden könnten. 
u) Tie einzelnen Zweige. Reihen 
folge ihrer Einführung. 
Haben wir im II. Abschnitt dieses Gutach 
tens das Vorgehen der französischen Regierung 
besonders eingehend behandelt, so war darin 
bereits teilweise unsere Ansicht niedergelegt: 
Eine moderne Sozial-Bersicherung mutz alle 
Zweige umfassen, mutz einem möglichst weiten 
Kreis zukommen und wenn möglich in einen» 
Gesetze niedergelegt sein. Aber damit ist nicht 
gesagt, daß wir einfach das französische Projekt 
kopieren dürfen. Tie Verhältnisse in Liechten 
stein sind besondere; ihnen muß Rücksicht ge 
tragen werden. Vor. allem ist Liechtenstein ein 
kleines Land mit bescheidenen, wirtschaftlichen 
Entwicklungsmöglichkeiten, dessen finanzielle 
Quellen durchaus nicht unerschöpflich sind. Aber 
andersiits hat es als kleines Land den Vorzug, 
daß es leichter zur Durchführung eines Ge 
setzes schreiten kann, da die Verhältnisse leich 
ter zu überblicken sind. Halten wir im Schwei 
zerland Umschau, so sehen wir, daß der kleine 
Kanton Glarus den großen Kantonen Bern, 
Zürich, Graubünden in der sozialen und pri 
vaten Versicherung weit voraussieht; daraus 
darf wohl der Mut geschöpft tverden, ohne Be 
denken an die Lösung der dankenswerten Auf 
gabe bald und 'kräftig heranzutreten. 
Falls die finanziellen Mittel nicht die 
gleichzeitige Einführung der Kranken- und Un 
fall-, Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenen- 
Versicherung gestalten, so empfiehlt es sich, die 
verschiedenen Zweige etappenweise durchzufüh 
ren, wobei die Häufigkeit der versicherten Oie 
fahr als bestinmtendes Manient für die Rei 
henfolge der Einführung gewählt werden muß. 
'Als dringlich muß die Unfallversicherung, 
dann namentlich die Kranken- und Jnvaliden- 
vcrsicherung bezeichnet werden. Nachher hätten 
die Alters- und Hinterbliebenen-Bersicherung 
zu folgen, wobei immerhin auf jede mögliche 
Art schon vorher die freiwillige Todesfall- und 
Rentenversicherung zu fördern wäre, sei es nun 
durch Aufklärungsarbeit oder durch Gewährung 
staatlicher Subventionen. 
b) Ter Versicherungsträger: 
Staat oder private Gesellschaft!? 
Organisation. 
Bei der entscheidenden Frage, ob der Staat 
die Versicherung an die Hand nehmen soll, 
oder ob das Risiko an eine private Versiche 
rungsgesellschaft abgegeben werden soll, sind 
verschiedene Gesichtspunkte maßgebend. 
Liechtenstein ist ein kleines Land, das mit 
der Uebernahme der Versicherung verbundene 
Risiko groß. Ferner verlangen verschiedene 
Zweige eine etwas eingehende Organisation 
und Technik, vor allem die Unfallversicherung: 
Tie Abstufung der Gefahrenklassen, die Ein 
reihung in dieselben, die Feststellung des 
Grades der Invalidität, die Festsetzung der 
Höhe der Renten, die Entscheidung zweifel 
hafter Fälle usw. Ties alles sind Aufgaben, 
die ein kleines Land kaum selbständig und 
wirtschaftlich bewältigen kann. Ferner verlangt 
eine richtige Versicherungsinstitution nicht nur 
eilte Verteilung des Versicherungsrisikos, son 
dern auch eine territoriale und zeitliche Ver 
teilung des Kapitalanlage-Risikos. Tie Fest 
legung der zur Turchführung der Sozialver 
sicherung erforderlichen Fonds im Inland, auf 
kleinem Gebiet, in einseitiger Weise, würde 
dieses Grundprinzip durchbrechen. Lassen diese 
Gründe die Errichtung einer eigenen Landes 
anstalt als unzweckmäßig, die Abgabe des°Risi- 
kos an eine private Gesellschaft dagegen als 
zweckmäßig erscheinen, fo darf anderseits nicht 
übersehen werden, daß keine private Versiche 
rungsanstalt alle Zweige gleichzeitig überneh 
men würde. Eine Abgabe der verschiedenen Ri 
siken an verschiedene ausländische Risikoträger 
würde aber zu einer Komplikation der Sozial 
versicherung führen. Um den Staatsbürgern 
den Verkehr mit jedem einzelnen Versiche 
rungsträger zu ersparen und die Sozialver 
sicherung zu überwachen, müßte trotzdem eine 
staatliche Zentralstelle für die Sozialversiche 
rung errichret werden. Ferner ist ein gewich 
tiger Einwand ausschlaggebend: Die Durch 
führung der ganzen Sozialversicherung erfor 
dert ganz gewaltige finanzielle Mttel, die bei 
der Deckung der Versicherung bei einer Aus
	        

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