gerichtshof nur die verfassungskonforme Kundmachung solcher Er-
lasse in Liechtenstein“508, Zum gleichen Ergebnis führt StGH
1999/53999. Auch in Zukunft wird es sich also aller Voraussicht nach
so verhalten, dass der Staatsgerichtshof entsprechende Anträge der
Anderen Gerichte so wie in der Vergangenheit als „von vornherein
unzulássig^35!? behandeln und von einem Eintreten absehen wird —
dies trotz der Widersprüchlichkeit dieser Praxis, die zu Unterschieden in
der Behandlung der Frage der formellen und der materiellen Verfas-
sungsmássigkeit des Wirtschaftsvertragsrechts führt95!!.
Der Grund, der für diese Uneinheitlichkeit verantwortlich ist,
wird bis auf weiteres ein Gegenstand von Spekulationen bleiben: Ist
es der besondere, von allen anderen vólkerrechtlichen Bindungen
Liechtensteins abweichende Charakter der Rechts- und Wirtschafts-
gemeinschaft mit der Schweiz? Ist es die Rechtsnatur des Wirt-
schaftsvertragsrechts als supranationales Recht3®12? Oder liegt der
Grund fiir die Ungleichbehandlung zwischen EWR- und Wirt-
schaftsvertragsrecht darin, dass die LV doch keine Staatsvertrags-
schranken kennt und ihre wenn auch nicht génzliche, so doch teil-
weise Umgestaltung durch (bestimmte) völkerrechtliche Verträge
duldet?
Die Antwort auf diese Frage wird aus dem Umstand abzulei-
ten sein, dass das Wirtschaftsvertragsrecht auf einer Übertragung des
Staatshoheitsrechtes der Gesetzgebungshoheit (auf die Schweiz auf
den Schweizerischen Bundesrat) beruht?5!3: Vor diesem Hintergrund
3508 StGH 1999/2, LES 3/2002 S. 131 (Kursivstellung durch den Verfasser).
3509 StGH 1999/5, LES 5/2002 S. 255.
3510 StGH 1999/2, LES 3/2002 S. 131.
3511In StGH 1997/28, LES 3/1999 S. 152 hat der Staatsgerichtshot unter Verweis auf StGH
1981/18, LES 2/1983 S. 41 und in Übereinstimmung mit StGH 1999/2, LES 3/2002 S. 131 er-
klärt, er habe ,auch Verordnungen des Schweizerischen Bundesrates, die aufgrund des Zol-
lanschlussvertrages in Liechtenstein Anwendung finden, als Verordnungen iS von Art 28 Abs
2 StGHG bezeichnet". Diese ,grosszügige" Praxis, die das Wirtschaftsvertragsrecht zu einem
Prüfungsgegenstand der Normenkontrolle macht, erscheine ,grundsátzlich gerechtfertigt".
Nach ihrer Massgabe ist eine Überprüfung der formellen Vertassungsmássigkeit des Wirt-
schaftsvertragsrechts — und zwar unter der Fiktion als liechtensteinisches Recht — ohne weite-
res móglich. Eine Überprüfung der materiellen Verfassungsmássigkeit des Wirtschaftsver-
tragsrechts scheint demgegenüber nach wie vor ausgeschlossen zu sein; siehe hierzu StGH
1999/2, LES 3/2002 S. 131 sowie im weiteren Sinne StGH 1999/5, LES 5/2002 S. 255. Dies
bedeutet im Ergebnis, dass die in Liechtenstein aufgrund der Wirtschaftsvertráge geltenden
Schweizerischen Hechtsvorschriften (Bundesgesetze, Bundesbeschlüsse und Bundesrats-
verordnungen) je nach der Natur der sich stellenden Frage unterschiedlich behandelt werden:
In den Fállen einer Überprüfung der formellen Vertassungsmássigkeit werden sie unter Art.
28 Abs. 2 StGHG subsummiert, in den Fällen einer Überprüfung der materiellen Verfas-
sungsmässigkeit nicht.
3512 Siehe hierzu das 10. Kapitel Pkt. 4.1.2.2 sowie Gubser S. 21f.
3513 Siehe hierzu das 8. Kapitel Pkt. 4.2.
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